Schatten der Liebe
können. Er hatte gelernt, daß es riskant, ja sogar gefährlich war, irgend jemand zu viel anzuvertrauen. In den meisten Fällen wurde solches Vertrauen auf die eine oder andere Weise schändlich ausgenutzt. Matt kannte zahllose Menschen, aber es gab nur vier, denen er wirklich vertraute: seinen Vater, seine Schwester, Tom Anderson und Joe O'Hara. Tom war von Anfang an dabei gewesen; damals, als er außer seinen Plänen, seinem Mut und seiner Einsatzbereitschaft noch nicht viel zu bieten hatte. Matt vertraute Anderson und O'Hara, weil sie ihre Loyalität bewiesen hatten. Und, bis zu einem gewissen Grade, vielleicht auch deshalb, weil sie, wie er, keinen privilegierten Background aufzuweisen hatten. »Vor über zehn Jahren«, antwortete Matt nach einer kurzen Überlegungspause, »habe ich etwas getan, das Bancroft nicht gepaßt hat.«
»Jesus, das muß aber etwas verdammt Schlimmes gewesen sein, wenn er heute noch so schlecht auf dich zu sprechen ist. Was hast du getan?«
»Ich habe es gewagt, meine Grenzen zu überschreiten und in seine kleine elitäre Welt einzudringen.«
»Wie?«
Matt nahm einen weiteren tiefen Zug aus seinem Glas, um die Bitterkeit hinunterzuspülen. »Ich habe seine Tochter geheiratet.«
»Du hat seine ... Meredith Bancroft? Die Tochter?«
»Eben diese«, antwortete Matt grimmig.
Als Anderson ihn in verblüfftem Schweigen anstarrte, fügte Matt hinzu: »Da ist noch etwas, das du auch gleich wissen solltest. Sie hat mir heute erzählt, daß die Scheidung, die sie vor elf Jahren eingereicht hat, nicht gültig ist. Der Anwalt war ein Schwindler, der das Scheidungsurteil nie einem Gericht vorgelegt hat. Ich habe Levinson beauftragt, das nachzuprüfen, aber ich habe das Gefühl, daß sie die Wahrheit sagt.«
Nach einem weiteren Moment erstaunten Schweigens begann Andersons Kopf wieder zu arbeiten. »Und jetzt verlangt sie eine satte finanzielle Abfindung, richtig?«
»Sie verlangt die Scheidung«, korrigierte Matt, »und sie und ihr Vater würden mich gern ruinieren, aber darüber hinaus will sie angeblich nichts.«
Toms Kommentar war ein bitteres, sarkastisches Lachen. »Wenn wir mit ihnen fertig sind, werden sie sich bei Gott wünschen, nie einen Krieg gegen uns angefangen zu haben«, versprach er, schon wieder auf dem Weg zur Tür.
Es war schon fast sieben, als Matt das Gebäude verließ. Joe hielt ihm die Wagentür auf, und Matt stieg ein. Er war ungewöhnlich müde und erschöpft, lehnte sein schmerzendes Genick gegen die weichen Polster und versuchte vergeblich, den schwachen Duft von Merediths Parfüm zu ignorieren, der noch in der Luft hing.
Der Wagen machte einen plötzlichen Schlenker, und Matt öffnete abrupt die Augen und ertappte Joe dabei, wie er ihn durch den Rückspiegel beobachtete.
»Das heute mittag«, schnitt Joe abrupt ein Thema an, das ihn beschäftigte, seit er die Auseinandersetzung zwischen Matt und Meredith im Auto verfolgt hatte, »war also deine Frau, oder?« Er warf einen kurzen Blick auf die Straße, sah dann aber sofort wieder in den Rückspiegel. »Ich meine, ihr habt euch über eine Scheidung gestritten, daraus schließe ich, daß ihr verheiratet seid. Richtig?«
»Richtig«, schnappte Matt.
»Sie ist eine ganz schöne Giftnudel«, kicherte Joe, Matts finstere Miene ignorierend. »Sie hat nicht viel für dich übrig, was?«
»Nein.«
Als Joe klar wurde, daß aus seinem Arbeitgeber keine weiteren Informationen herauszuholen waren, wechselte er widerwillig das Thema. »Brauchst du mich nächste Woche auf der Farm in Indiana? Wenn nicht, dann haben dein Vater und ich gedacht, daß wir uns eine zweitägige Schach-Orgie leisten.«
»Nein. Bleib ruhig bei ihm.« Obwohl sein Vater seit über zehn Jahren trocken war, nahm die Tatsache, daß die Farm endlich verkauft wurde, Patrick doch mehr mit als erwartet - obwohl er selbst den Entschluß gefaßt hatte, sich davon zu trennen. Deshalb war es Matt lieber, wenn sein Vater nicht ganz allein zurückblieb, während er selbst nach Indiana fahren wollte, um die letzten Sachen zu packen.
»Was ist mit heute abend? Gehst du aus?«
Matt hatte eine Verabredung mit Alicia. »Ich nehme den Rolls«, sagte er. »Du kannst dir frei nehmen.«
»Wenn du mich brauchst...«
»Verdammt, ich sagte, ich nehme den Rolls.«
»Matt?«
»Was?«
»Deine Frau ist schon ein echtes Klasseweib«, kicherte Joe. »Bloß schade, daß sie aus dir einen richten Miesepeter macht.«
Matt streckte den Arm aus und schloß wütend die
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