Schatten der Liebe
stehende tun, um dich davon abzuhalten, dein Leben für eine Karriere in irgendeinem Unternehmen zu opfern! Deshalb bin ich dagegen, daß du dieses Amt übernimmst, Meredith. Und ob dir meine Motive gefallen oder nicht, ich wenigstens stehe dazu. Du dagegen weißt ja nicht einmal, warum du unbedingt der nächste Präsident von Bancroft's werden willst.«
»W-was?!« Sie stotterte vor Ärger und Überraschung. »Ich nehme an, du kannst mir meine Gründe nennen.«
»Gerne, wenn du willst. Vor elf Jahren hast du einen Hundesohn geheiratet, der hinter deinem Geld her war und der dir ein Kind angehängt hat; du hast das Baby verloren, und man hat dir gesagt, daß du keine Kinder mehr bekommen kannst. Und plötzlich«, schloß er triumphierend, »plötzlich hast du eine glühende Liebe zu Bancroft & Company entwickelt, einen geradezu krankhaften Ehrgeiz, das Unternehmen zu bemuttern!«
Meredith starrte ihn ungläubig an. Der Schmerz, der sie bei seinen Worten durchdrang, schnürte ihr fast die Kehle zu. Mühsam behielt sie ihre Stimme unter Kontrolle: »Ich habe diesen Ort geliebt, seit ich ein kleines Mädchen war. Ich habe ihn geliebt, bevor ich Matthew Farrell traf, und ich habe Bancroft's geliebt, als Matt längst wieder aus meinem Leben verschwunden war. Ich kann dir sogar genau sagen, wann ich mich entschlossen habe, hier zu arbeiten und eines Tages Präsident zu werden. Ich war sechs Jahre alt, und du hast mich hier im Büro warten lassen, während du eine Vorstandssitzung hattest. Und du hast mir gesagt«, fuhr sie hartnäckig fort, »daß ich hier, auf deinem Stuhl, sitzen dürfte, bis du zurückkommst. Und das habe ich dann auch getan. Ich bin dagesessen, habe deine Füller angefaßt und die Sekretärin über die Sprechanlage hereingebeten. Und sie ist gekommen, und ich habe ihr einen Brief diktiert. Es war ein Brief an dich«, sagte sie - und daran, daß er plötzlich blaß wurde, erkannte sie, daß er sich an diesen Brief erinnerte. »In dem Brief stand« - sie hielt kurz inne und holte tief Luft, damit er nicht merkte, daß Tränen ihre Stimme erstickten: »> Lieber Vater, ich werde brav lernen und sehr hart arbeiten, damit du eines Tages so stolz auf mich bist, daß du mich hier arbeiten läßt. Und wenn ich das tue, darf ich dann wieder auf diesem Stuhl sitzen?< Du hast den Brief damals gelesen und gesagt >Natürlich<«, schloß Meredith und blickte ihn mit stolzer Verachtung an. »Ich habe mein Wort gehalten. Du hast nie vorgehabt, deines zu halten. Andere kleine Mädchen spielen mit Puppen«, fügte sie mit einem erstickten Lachen hinzu. »Das habe ich nie. Ich habe immer Kaufhaus gespielt!« Trotzig hob sie das Kinn. »Stets habe ich geglaubt, daß du mich liebst. Ich wußte, daß du lieber einen Sohn gehabt hättest, aber ich habe nie gedacht, daß du dich keinen Deut um mich scherst, nur weil ich ein Mädchen geworden bin. Mein ganzes Leben hast du mich glauben lassen, daß meine Mutter uns im Stich gelassen hat. Jetzt frage ich mich, ob du sie nicht vielleicht fortgejagt hast, genauso wie du jetzt mich fortjagst. Morgen hast du meine Kündigung vorliegen.« Sie sah, wie er in Anbetracht des Aufschubs innerlich triumphierte, und sie hob ihr Kinn noch höher. »Ich habe Besprechungen auf dem Terminplan, und ich komme nicht eher dazu.«
»Wenn du nicht hier bist, wenn ich den anderen die Entscheidung mitteile«, warnte er, als sie zu der Nebentür ging, die zum Konferenzraum und durch diesen wieder auf den Gang führte, »werden sie glauben, daß du heulend rausgerannt bist, weil du den Posten nicht bekommen hast.«
Meredith blieb gerade lang genug stehen, um ihm einen verächtlichen Blick zuzuwerfen: »Mach dir nichts vor, Vater. Auch wenn du mich wie einen Klotz am Bein behandelst, so hält dich doch keiner von denen für so herzlos, wie du wirklich bist, und alle nehmen mit Bestimmtheit an, daß du deine Entscheidung deiner Tochter schon vor mehreren Tagen mitgeteilt hast.«
»Dann werden sie die Wahrheit erkennen, wenn du kündigst«, warnte er, und für den Bruchteil einer Sekunde klang Angst aus seiner Stimme.
»Sie werden viel zu beschäftigt sein, dem armen Allen Stanley zu helfen, diese Firma zu leiten, um sich darüber Gedanken zu machen.«
»Ich leite diese Firma und gebe Allen meine Anweisungen.«
Die Hand auf der Türklinke, hielt sie noch einmal inne und blickte ihn über die Schulter an. Sie fühlte sich so leer, daß sie sogar lachen konnte. »Das weiß ich. Hast du mich wirklich
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