Schatten der Liebe
mein alter Herr darauf, jeden, den ich interviewt hatte, persönlich kennenzulernen, um sich ein Bild darüber zu machen, wie qualifiziert ich für diesen Job bin. Er hat die Hälfte der Männer, die ich ausgesucht hatte, abgelehnt. Der einzige Mann, den er für wirklich gut hielt, war ein Stahlarbeiter namens Farrell, den ich abgewiesen hatte. Dabei hat dieser Mensch noch nie einen ordentlichen Bohrturm aus der Nähe gesehen. Außerdem interessiert sich Farrell nicht einmal für Ölförderung. Das einzige, was ihn interessiert, ist der Hundertfünfzigtausend-Dollar-Bonus, den er bekommt, wenn er es zwei Jahre lang da unten aushält. Das hat er meinem Vater glatt ins Gesicht gesagt.«
»Warum hat dein Vater ihn dann eingestellt?«
»Er hat gesagt, daß ihm Farrells Art gefällt«, spottete Jon und kippte seinen restlichen Drink hinunter. »Ihm haben die Ideen gefallen, die Farrell mit dem Bonus realisieren will. Mist. Ich hatte schon fast erwartet, daß mein Vater ihn gar nicht nach Venezuela schickt, sondern ihm statt dessen mein Büro anbietet. Jedenfalls muß ich Farrell im kommenden Monat >mit unserem Unternehmen vertraut machen und ihn überall vorstellen<.«
»Jon«, sagte Leigh leise, »du bist betrunken, und du wirst zu laut.«
»Tut mir leid«, sagte er, »aber ich muß mir seit Tagen die Lobeshymnen anhören, die mein Vater über den Kerl zum besten gibt. Dabei ist dieser Farrell ein arroganter, ehrgeiziger Scheißkerl. Er hat keinen Stil, kein Geld, kein gar nichts!«
»Das klingt ja geradezu göttlich«, spöttelte Leigh.
Als die drei anderen stumm blieben, fügte Jon hinzu: »Wenn ihr glaubt, daß ich übertreibe, kann ich ihn ja am vierten Juli zu dem Ball im Club mitbringen. Dann werdet ihr alle sehen, was für eine Art von Mensch mein Vater gerne als Sohn hätte.«
»Sei bloß vorsichtig«, warnte Shelly. »Dein Vater schätzt ihn vielleicht als Angestellten, aber er wird dich zum Teufel jagen, wenn du so jemanden mit nach Glenmoor bringst.«
»Ich weiß«, Jon lächelte grimmig. »Aber das wäre mir der Spaß wert.«
»Aber bring ihn bloß nicht in unsere Nähe«, fuhr Shelly fort. »Wir haben nicht vor, den ganzen Abend mit irgendeinem Stahlarbeiter Smalltalk zu machen, nur damit du deinem Vater eins auswischen kannst.«
»Mach dir keine Sorgen. Ich werde Farrell sich selbst überlassen. Er soll sich nur abzappeln, und mein Vater kann ihm ja zeigen, mit welcher Gabel man was ißt. Und außerdem könnte mein Alter nicht einmal was dagegen sagen. Schließlich hat er mich beauftragt, Farrell >in alles einzuführen< und mich >um ihn zu kümmern<, solange er in Chicago ist.«
Parker mußte über Jons wütenden Gesichtsausdruck lachen. »Gibt es denn keine bequemere Lösung für dein Problem?«
»Doch«, sagte Jon. »Ich kann eine reiche Eibin heiraten, die meinen gewohnten Lebensstil finanziert; dann kann ich meinem Vater sagen, er soll sich zum Teufel scheren.« Er drehte sich um und winkte einem hübschen Serviermädchen zu, das ein Tablett mit Drinks herumtrug. Sie eilte heran, und er grinste sie an: »Sie sind nicht nur hübsch«, sagte er zu ihr, während er das leere Glas auf ihr Tablett stellte und sich ein frisches nahm, »Sie haben mir soeben das Leben gerettet!« Die Art, wie sie ihn anlächelte und dabei errötete, verriet deutlich, daß sie seinem sympathischen Äußeren nicht gleichgültig gegenüberstand. Jon flüsterte ihr hörbar zu: »Könnte es sein, daß Sie nur so zum Spaß hier arbeiten und daß Sie in Wahrheit die Tochter eines Bankinhabers oder eines Börsenmitglieds sind?«
»Was? Ich meine, wie bitte? Nein«, stotterte sie aufgeregt.
»Kein Sitz in der Börsenaufsicht? Wie steht's mit ein paar Fabriken oder einigen Ölquellen?«
»Mein Vater ist - er ist Installateur«, platzte sie heraus.
Jonathans Lächeln schwand, und er seufzte. »Dann kann ich Sie leider nicht heiraten. Unglücklicherweise muß die Kandidatin, die meine Hand gewinnen will, gewisse finanzielle und gesellschaftliche Voraussetzungen erfüllen. Wir könnten aber wenigstens eine kleine Affäre miteinander haben. Warum treffen wir uns nicht in einer halben Stunde draußen in meinem Auto? Es ist der rote Ferrari direkt neben der Einfahrt.«
Das Mädchen ging, ebenso betreten wie fasziniert.
»Das war ganz schön gemein von dir«, sagte Shelly, aber Doug Chalfont stupste ihn an und grinste: »Ich wette fünfzig Scheinchen, daß das schöne Kind nachher in deinem Auto wartet.«
Jon wollte gerade
Weitere Kostenlose Bücher