Schatten der Liebe
gesprochen und auch mit mir geredet. Er war - er war ... Ich habe ihn sehr gern gehabt«, schloß sie hilflos. »Und er hatte mich auch gern.« Sie sah zu Lisa auf, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Außer meinem Vater war er mein einziger naher Verwandter. Sonst habe ich nur noch ein paar Cousins fünften und sechsten Grades, die ich nicht einmal kenne.«
7
Im Foyer von Philip Bancrofts Haus ließ Jonathan Sommers unschlüssig seinen Blick über die zahllosen Menschen schweifen, die wie er hergekommen waren, um am Tag des Begräbnisses von Cyril Bancroft den obligaten Kondolenzbesuch abzustatten. Er hielt einen der livrierten Diener an, der ein Tablett mit Drinks trug, und griff sich zwei Gläser, die eigentlich für andere Gäste bestimmt waren. Nachdem er den Wodka hinuntergekippt hatte, deponierte er das leere Glas in einem großen eingetopften Zimmerfarn, nahm dann einen Schluck Scotch aus dem zweiten Glas und rümpfte die Nase, weil es kein Chivas Regal war. Die Mischung aus Wodka und dem Gin, den er bereits draußen im Wagen aus einem Flachmann getrunken hatte, verhalf ihm dazu, den Trauerfeierlichkeiten gefaßter ins Auge zu sehen. Neben ihm stand eine zierliche alte Dame mit einem Krückstock und musterte ihn neugierig. Da der gute Ton es zu erfordern schien, daß er sie ansprach, suchte Jon krampfhaft nach einem unverfänglichen Thema, das jedoch der Gelegenheit angemessen sein sollte. »Ich verabscheue Beerdigungen, Sie nicht?« sagte er schließlich.
»Ich mag sie eigentlich ganz gerne«, bemerkte die Dame süffisant. »In meinem Alter betrachte ich jede Beerdigung, an der ich teilnehme, als persönlichen Triumph, weil nicht ich die Hauptperson bin.«
Er unterdrückte ein bissiges Lachen, denn lautes Gelächter wäre in dieser feierlichen Umgebung ein ernster Verstoß gegen die Etikette gewesen, die unter allen Umständen zu beachten er erzogen worden war. Also entschuldigte er sich, stellte das halbvolle Glas Scotch auf einen kleinen Tisch und begab sich auf die Suche nach einem besseren Drink.
Kurz darauf erblickte Jon seinen Freund Parker Reynolds, der mit zwei jungen Damen und einem anderen Mann in einer Ecke des riesigen Wohnraumes stand. Am Buffet vorbei, wo er sich mit einem weiteren Drink versorgte, ging er zu seinen Freunden hinüber. »Tolle Party, was?« bemerkte er sarkastisch.
»Ich dachte, du haßt Beerdigungen und würdest nie hingehen«, sagte Parker, nachdem sich alle begrüßt hatten.
»Ich hasse sie wirklich. Aber ich bin nicht hier, um Cyril Bancroft zu betrauern, sondern um mein Erbe zu schützen.« Jon nahm einen Schluck, als ob er damit seine Verbitterung über das hinabschwemmen wollte, was ihm auf der Zunge lag: »Mein Vater hat wieder damit gedroht, mich zu enterben; und diesmal macht der alte Scheißkerl vermutlich sogar ernst.«
Leigh Ackerman, eine hübsche Brünette mit einer Traumfigur, sah ihn mit ungläubigem Erstaunen an: »Dein Vater enterbt dich, wenn du nicht auf Beerdigungen gehst?«
»Nein, meine Schöne, mein Vater will mich enterben, wenn ich mich nicht >bessere< und mein Leben anders anpacke. Das heißt, ich muß auf Beerdigungen alter Freunde der Familie erscheinen, und ich muß mich auch um das jüngste Projekt des Familien Unternehmens kümmern. Ansonsten bin ich sehr schnell das ganze schöne Geld los.«
»Klingt hart«, grinste Parker wenig mitfühlend. »Was für ein neues Projekt haben sie dir zugeteilt?«
»Ölquellen«, sagte er. »Neue Ölquellen. Diesmal hat mein alter Herr einen Handel mit der Regierung von Venezuela abgeschlossen, daß wir dort Probebohrungen machen können.«
Shelly Fillmore warf einen kurzen Blick in den kleinen goldgerahmten Spiegel über Jons Schulter und strich mit dem Zeigefinger leicht über ihren Mundwinkel, um einen winzigen Schmierer ihres zinnoberroten Lippenstiftes zu beseitigen. »Er will dich doch nicht etwa nach Südamerika schicken?«
»So etwas Wichtiges würde er mir nicht Zutrauen«, sagte Jon bitter. »Mein Vater hat mich vielmehr in die Personalabteilung gesteckt. Ich muß die Leute aussuchen, die dorthin sollen. Und wißt ihr, was der alte Bastard außerdem getan hat?«
Jons Schimpftiraden gegen seinen Vater waren ebenso stadtbekannt wie seine ewige Trinkerei, aber diesmal warteten seine Freunde interessiert auf weitere Details.
»Was hat er getan?« fragte Doug Chalfont.
»Er hat mich kontrolliert. Als ich die ersten fünfzehn kräftigen und erfahrenen Männer ausgesucht hatte, bestand
Weitere Kostenlose Bücher