Schatten der Liebe
wohnen müssen.«
»Da sei Gott vor!« Jonathan schüttelte sich, und alles lachte, er eingeschlossen.
Seine Hand auf Merediths Ellbogen legend, rettete Parker sie vor weiteren Witzeleien: »Meredith braucht etwas frische Luft. Wir machen einen kurzen Spaziergang.«
Draußen schlenderten sie über den Rasen und ein Stück die Auffahrt hinunter. »Wie geht es dir?« fragte er.
»Ganz gut - danke. Ich bin nur ein bißchen müde.« Meredith versuchte, das folgende Schweigen durch eine geistreiche Bemerkung zu brechen, gab sich dann jedoch mit etwas Schlichterem zufrieden und meinte eher ernsthaft: »Du hast im letzten Jahr bestimmt viel erlebt...«
Er nickte und sagte dann das allerletzte, das Meredith hören wollte: »Du bist eine der ersten, die mir gratulieren dürfen. Sarah Ross und ich werden heiraten. Am kommenden Samstag geben wir unsere Verlobung offiziell bekannt.«
Meredith schwankte. Sarah Ross! Sie kannte Sarah Ross, und sie konnte sie nicht leiden. Obwohl sie außerordentlich hübsch und sehr lebhaft war, hatte Meredith sie immer für hohlköpfig und eitel gehalten. »Ich hoffe, daß ihr glücklich werdet«, flüsterte sie, und es kostete sie ihre gesamte Selbstbeherrschung, nicht zu zeigen, wie enttäuscht sie war.
»Das hoffe ich auch.«
Eine halbe Stunde lang spazierten sie durch den Garten und sprachen über seine und über ihre Zukunftspläne. Man kann sich so wunderbar mit ihm unterhalten, dachte Meredith wehmütig - er war so verständnisvoll und unterstützte sie voll in ihrer Absicht, Maryville zugunsten der Northwestern University abzusagen.
Sie waren auf dem Rückweg zum Haus, als eine dunkle Limousine vorfuhr. Eine ausgesprochen attraktive brünette Dame stieg aus, gefolgt von zwei jungen Männern Anfang zwanzig. »Sieh an. Die trauernde Witwe hat sich also doch noch entschlossen, in Erscheinung zu treten«, sagte Parker, der normalerweise nicht zum Sarkasmus neigte, beim Anblick von Charlotte Bancroft. An ihren Ohren glitzerten dicke Brillantgehänge, und trotz des schlichten grauen Kostüms wirkte sie ausgesprochen aufreizend. »Hast du bemerkt, daß sie bei der Beerdigung nicht eine einzige Träne vergossen hat? Diese Frau erinnert mich irgendwie an Lucrezia Borgia.«
Innerlich mußte Meredith ihm recht geben. »Sie ist nicht gekommen, um Beileidsbezeugungen entgegenzunehmen. Sie will, daß das Testament eröffnet wird, sobald das Haus sich etwas geleert hat, damit sie noch heute abend wieder nach Palm Beach zurückkehren kann.«
»Dabei fällt mir ein«, sagte Parker mit einem Blick auf seine Armbanduhr, »daß ich in einer Stunde eine wichtige Verabredung habe.« Er nahm sie in den Arm und drückte einen brüderlichen Kuß auf ihre Wange. »Bitte entschuldige mich bei deinem Vater.«
Wie betäubt sah Meredith zu, wie er fortging und ihre ganze romantische Jugendliebe mit sich nahm. Eine warme Sommerbrise zerzauste sein sonnengebleichtes Haar, er öffnete die Tür seines Wagens, zog das Jackett seines dunklen Anzugs aus und legte es über die Lehne des Beifahrersitzes. Dann blickte er noch einmal zurück und winkte ihr zu.
Verzweifelt bemüht, ihre Haltung zu bewahren, zwang sie sich dazu, Charlotte zu begrüßen. Während der ganzen Trauerfeier hatte Charlotte weder mit ihr noch mit ihrem Vater ein einziges Wort gewechselt. Sie hatte nur mit ausdrucksloser Miene zwischen ihren Söhnen gestanden. »Wie fühlst du dich?« fragte Meredith höflich.
»Ich fühle mich danach, möglichst schnell nach Hause zurückzukommen«, antwortete die Frau eisig. »Wie schnell können wir wohl zum Geschäftlichen kommen?«
»Das Haus ist noch immer voller Trauergäste«, sagte Meredith, die innerlich vor Charlottes Einstellung zurückschreckte. »Wegen der Testamentseröffnung mußt du meinen Vater fragen.«
Charlotte drehte sich auf den Stufen um und blickte Meredith eisig an. »Seit jenem Tag in Palm Beach habe ich mit deinem Vater kein Wort gewechselt. Ich werde erst dann wieder mit ihm sprechen, wenn er mich darum anfleht. Bis dahin mußt du als Vermittlerin fungieren, Meredith.« Sie ging zwischen ihren Söhnen, die sie wie eine Ehrenwache eskortierten, ins Haus.
Meredith starrte ihr nach. Der Haß, den diese Frau ausstrahlte, ließ sie bis ins Mark erschaudern. Jener Tag in Palm Beach, auf den Charlotte angespielt hatte, war ihr erschreckend klar im Gedächtnis geblieben. Vor sieben Jahren waren sie und ihr Vater auf Einladung ihres Großvaters nach Florida geflogen, wo Cyril Bancroft
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