Schatten der Liebe
eisiger Verachtung an. »Ich verstehe vollkommen!« zischte er wütend. »Ich verstehe, daß es dort Dinge gibt, die du tun willst - und Leute, mit denen du sie tun kannst, Dinge, von denen du verdammt genau weißt, daß ich sie nicht billigen würde. Deshalb willst du auf eine große Universität gehen und auf dem Campus wohnen! Was reizt dich denn am meisten, Meredith - ist es die Gelegenheit, in einem gemischten Studentenwohnheim zu logieren, wo rund um die Uhr junge Männer herumlaufen und in dein Bett kriechen? Oder ist es ...«
»Du bist ja krank!«
»Und du bist genau wie deine Mutter! Du hast alles, was man sich nur wünschen kann, und denkst an nichts anderes, als mit billigen Typen ins Bett zu gehen ...«
»Hol dich der Teufel!« hatte Meredith gebrüllt, selbst erstaunt über den unbändigen Zorn, der sie völlig außer Kontrolle geraten ließ. »Das werde ich dir nie vergessen! Nie!« Sie hatte sich auf dem Absatz umgedreht und war gegangen.
Hinter ihr donnerte seine Stimme: »Wo zum Teufel gehst du hin?«
»Weg!« hatte sie zurückgeschrien, ohne sich umzublicken. »Und noch was: Ich werde nicht bis Mitternacht zurück sein. Ich habe deine lächerlichen Vorschriften satt!«
»Komm sofort wieder her!« brüllte er. Meredith ignorierte ihn und ging durch die Halle zur Haustür. Ihre Wut nahm zu, als sie in den weißen Porsche stieg, den er ihr zum sechszehnten Geburtstag geschenkt hatte. Ihr Vater war verrückt. Er war krank!
Sie verbrachte den Abend bei Lisa und blieb absichtlich bis fast drei Uhr früh. Ihr Vater hatte auf sie gewartet und lief wie ein Wahnsinniger in der Diele auf und ab. Er tobte und beschimpfte sie entsetzlich, aber zum ersten Mal in ihrem Leben ließ sich Meredith von seinen Wutanfällen nicht einschüchtern. Sie nahm die Schimpftiraden gelassen hin, doch ihre Entschlossenheit wuchs, an ihrer Entscheidung festzuhalten.
Durch einen hohen Eisenzaun und Wachposten vor Eindringlingen und neugierigen Blicken geschützt, erstreckte sich der Glenmoor Country Club über mehrere Hektar. Gepflegte Rasenflächen mit blühenden Hecken und sorgfältig angelegte Blumenbeete soweit das Auge reichte. Eine lange, von reich verzierten Gaslaternen erleuchtete Auffahrt führte durch die majestätische Eichenhalle zum Eingangsportal des Clubs und dann in weitem Bogen wieder zurück zur Landstraße. Das Clubhaus selbst, ein stattlicher dreistöckiger weißverputzter Backsteinbau mit dicken Säulen vor der klassizistischen Fassade, befand sich zwischen zwei 18-Loch-Golfplätzen. Die Tennisplätze lagen rechts und links gleich daneben. Zur Gartenseite hin öffneten sich große Glastüren zu den riesigen Terrassen, auf denen gelbe Sonnenschirme dekorative Kübelpflanzen und eine Reihe von einladenden Sitzgruppen überschatteten. Von der untersten Terrasse führten geflieste Stufen zu den beiden Pools hinunter. Sie waren heute abend geschlossen, doch hatte man die goldgelben Polster auf den Sonnenliegen zurückgelassen, falls jemand von hier aus das Feuerwerk betrachten oder sich zwischen zwei Tänzen ausruhen wollte. Das bestellte Orchester würde heute ebenfalls im Freien spielen.
Die Dämmerung senkte sich gerade über die hügelige Landschaft, als Meredith an dem Haupteingang vorbeifuhr, wo livrierte Diener den ankommenden Gästen aus den Wagen halfen. Sie lenkte ihren Porsche auf den bereits vollen Parkplatz neben dem Gebäude und parkte zwischen dem glänzenden neuen Rolls-Royce eines reichen Textilfabrikanten und einem acht Jahre alten Chevrolet, der einem wesentlich reicheren Bankier gehörte. Normalerweise liebte sie diese Tageszeit, aber als sie heute aus dem Wagen stieg, war sie niedergeschlagen und ganz in Gedanken versunken. Außer ihren Kleidern besaß sie nichts, das sie hätte verkaufen können, um von dem Erlös ihr Studium zu finanzieren. Ihr Auto lief auf den Namen ihres Vaters, und er kontrollierte auch ihre Erbschaft. Auf ihrem Konto waren genau 700 Dollar. Ganze 700 Dollar! Verzweifelt suchte sie nach einer Möglichkeit, das Studiengeld aufzutreiben, während sie langsam auf das Clubhaus zuging.
Bei besonderen Gelegenheiten wie dem heutigen Ball fungierten die Bademeister des Clubs als Parkplatzwächter. Einer von ihnen eilte vor Meredith die Stufen hinauf und hielt ihr die Türe auf. »Guten Abend, Miss Bancroft«, sagte er mit einem Casanova-Lächeln. Er war muskulös und sehr gutaussehend, ein Medizinstudent von der University of Illinois. Meredith wußte das alles, weil er
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