Schatten der Liebe
blankrieb, das Julie ihr geliehen hatte. Im Bett war es Matt, der gab und gab und gab - und der es scheinbar weder wollte noch brauchte, daß sie sich auf die gleiche Weise revanchierte. Wenn er mit ihr schlief, sehnte sie sich manchmal danach, ihm dieselben Lustgefühle zu vermitteln, die er ihr spendete und die sie fast um den Verstand brachten. Aber sie traute sich nicht, die Initiative zu übernehmen, solange er sie nicht dazu ermunterte. Es machte ihr zu schaffen, daß er so viel mehr zu geben schien, als er empfing - aber wenn er sich auf sie legte und sich tief in ihren dahinschmelzenden Körper vergrub, vergaß Meredith das. Dann vergaß sie die Welt um sich herum.
Jetzt blickte sie ihn von der Seite an; in seinem energischen Kinn lag nichts Jungenhaftes, aber manchmal, wenn er lachte oder wenn er mit zerzausten Haar neben ihr schlief, wirkten seine sonst so markanten Züge weich und einfach gewinnend. Und diese Wimpern! Neulich früh hatte sie diese dichten langen Wimpern bemerkt; er hatte noch geschlafen und ausgesehen wie ein kleiner Junge, so daß sie einen unwillkürlichen Impuls verspürte, ihn in den Arm zu nehmen.
Er merkte wie sie ihn studierte und fragte: »Hab ich heute früh vergessen, mich zu rasieren?«
Sie mußte lachen, weil dies ihren Gedankengängen so völlig zuwider lief. »Nein. Ich habe gerade gedacht, daß du Wimpern hast, um die dich jedes Mädchen beneiden würde.«
»Paß bloß auf«, drohte er lachend und machte ein bitterböses Gesicht. »In der sechsten Klasse habe ich einen Jungen verprügelt, weil er gesagt hat, ich hätte Wimpern wie ein Mädchen.«
Auch Meredith lachte, aber je näher ihr Zuhause und die Konfrontation mit ihrem Vater rückten, desto mehr schwand die gute Laune, die sie beide zu wahren versucht hatten. Matt mußte in zwei Tagen nach Venezuela abreisen, und ihre gemeinsame Zeit näherte sich dem Ende. Und obwohl er sich einverstanden erklärt hatte, ihrem Vater nichts davon zu sagen, daß sie ein Kind erwartete, fand er dieses Vorgehen falsch.
Auch Meredith gefiel es nicht besonders. Aber es schien ihr der beste Weg. Bis sie Matt nach Südamerika folgen konnte, wollte sie kochen lernen. In den letzten paar Tagen war ihr der Gedanke, eine richtige Ehefrau mit Mann und eigenem Haushalt zu werden, immer reizvoller erschienen -trotz Matts abschreckender Beschreibung, wie ihr zukünftiges Zuhause vermutlich aussehen würde.
»Wir sind da«, sagte Meredith, als sie einige Minuten später in die Auffahrt einbogen.
Matt half ihr aus dem Wagen und bemühte sich, zuversichtlich zu klingen: »Wenn dein Vater dich so liebt, wie er sagt, dann wird er versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, sobald der erste Schock überwunden ist.« Meredith hoffte inbrünstig, daß er recht hatte. Wenn er sich irrte, dann hieße das, daß sie auf der Farm leben mußte, wenn Matt weg war, und das wollte sie nicht, nicht solange Patrick Farrell ihr gegenüber derart mißtrauisch war.
»Also los«, sagte sie, holte tief Luft, und dann stiegen sie die Stufen zur Haustür hinauf. Da sie heute morgen angerufen und Albert gebebten hatte, ihrem Vater auszurichten, daß sie am frühen Nachmittag nach Hause käme, nahm sie an, ihr Vater würde bereits auf sie warten.
Sie hatte recht. Sobald sie die Tür aufsperrte, kam er aus dem Wohnzimmer. Er sah aus, als habe er eine Woche lang kein Auge zugemacht. »Wo zum Teufel bist du gewesen?« donnerte er und sah aus, als ob er sie jeden Moment packen und durchschütteln wolle. Ohne auf Matt zu achten, der ein paar Schritte hinter ihr stand, tobte er: »Hast du verdammt nochmal vor, mich ganz und gar um den Verstand zu bringen, Meredith?«
»Wenn du eine Minute lang ruhig bist, werde ich dir alles erklären«, sagte Meredith und deutete auf Matt.
»Gottverdammter Mistkerl!« schrie ihr Vater, als er sah, mit wem Meredith zusammengewesen war.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, stieß Meredith hervor. »Wir sind verheiratet!«
»Ihr seid was?«
Matt beantwortete die Frage ganz ruhig: »Verheiratet.«
Innerhalb von drei Sekunden war Philip Bancroft klar, daß es nur einen einzigen Grund geben konnte, der Meredith veranlassen würde, jemanden zu heiraten, den sie so gut wie nicht kannte: Sie war schwanger. »Mein Gott, nein!« Sein wütender Gesichtsausdruck und der unverhohlene Zorn in seiner Stimme trafen Meredith mehr als alles andere, was er hätte sagen oder tun können. Und gerade als sie dachte, es könnte nicht mehr schlimmer
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