Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schatten der Lust

Titel: Schatten der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Ashley
Vom Netzwerk:
warmen Haus und der Beltanenacht in eine kalte Dunkelheit fortgeschleudert wurde.
    In weiter Ferne sah er ein gleißendes Licht. Stimmen sangen im Chor. Und inmitten des Lichts tauchte ein außergewöhnlich großer Mann mit harten Gesichtszügen und kohlrabenschwarzen Augen auf. Hunter kannte den Mann. Zuletzt hatte er ihn vor siebenhundert Jahren in einer Schlacht in Schottland gesehen. Vor dem Mann stand eine Frau in einem blauen Gewand, die eine Blumengirlande in ihrem dunklen Haar trug. Und sie sang unablässig.
    »Was zur H …«, raunte Hunter, als die Welt aufs Neue zerbarst und er hilflos durch die Finsternis gewirbelt wurde.
    Kurz darauf schlug er auf etwas Hartem auf, so dass ihm zunächst die Luft wegblieb. Als Nächstes spürte er eine warme Meeresbrise, die über ihn hinwegstrich, dann den heißen Atem von jemandem mit pelzigem Gesicht, der ihn auf die Lippen küsste.
     
    Leda Stowe erwachte im Morgengrauen. Blinzelnd sah sie zu dem Digitalwecker auf ihrem Nachttisch. In einer halben Stunde würde er losschrillen. Bisher aber hörte Leda nur das langsame Tropfen des Küchenwasserhahns, der sich nie ganz zudrehen ließ. Ansonsten war alles still.
    Sie lag ruhig da und konzentrierte sich auf ihre Hexensinne. Was mochte sie geweckt haben? Draußen rauschte der Wind in den Palmen. Die Wellen brachen sich am Strand. Es war Flut. Kein dröhnendes Rattern von Hubschraubern oder Motorbooten, nicht einmal die Tiere gaben einen Mucks von sich. Und dennoch schrien ihre Sinne geradezu, dass die Schutzzauber um ihre Insel durchbrochen wurden.
    Ihr erster Gedanke galt den Drohungen des »Tiersammlers«, vor dem Mukasa, der afrikanische Löwe in ihrem größten Gehege, gerettet worden war. Diego Valdez, Anführer eines mexikanischen Drogenkartells, war außer sich gewesen, als eine Tierschutzorganisation den misshandelten Mukasa befreit hatte, und schwor, seinen Löwen zurückzuholen, notfalls mit Gewalt. Die kleine Insel aus Felsen und Strand gehörte zwar genau genommen zu Kalifornien, lag allerdings sehr nahe an den mexikanischen Hoheitsgewässern.
    Leda nahm ihr Betäubungsgewehr auf, das sie stets neben dem Bett liegen hatte, und öffnete die Schachtel auf ihrem Nachttisch, um die Waffe zu laden. Betäubungspfeile wirkten bei Menschen ebenso verlässlich wie bei verletzten, panischen Großkatzen. Mit einem Pfeil konnte sie einen Erwachsenen lange genug ruhigstellen, bis sie die Küstenwache oder die Drogenfahnder hergerufen hatte. Beide patrouillierten die Gewässer hier.
    Sie zog sich ein T-Shirt, Baumwollshorts und ihre Turnschuhe an. Gegenwärtig lebten nur zwei Tiere in ihren Gehegen, der Löwe Mukasa und ein japanischer Bär namens Taro. Sobald in Hokkaido alles für Taro vorbereitet war, würde er dorthin überstellt werden, wo er wieder ausgewildert wurde. Über Mukasas Schicksal war noch nicht entschieden.
    Abgesehen von Valdez’ Drohungen waren beide Tiere für skrupellose Wildtierjäger interessant, denn sie konnten sie für Unsummen weiterverkaufen – tot oder lebendig. Ledas Schutzzauber waren mächtig, weil ihre Luftmagie von den Winden verstärkt wurde, die unablässig über die Insel fegten. Eigentlich dürfte niemand sie durchbrechen können.
    Mit ihrem Gewehr in der einen und dem Funkgerät in der anderen Hand ging sie auf die Veranda hinaus. Das Funkgerät war ihr hier weit nützlicher als ein Handy, konnte sie damit doch sofort einen der Küstenwachenfunker erreichen. Sie hakte es sich an den Gürtel, bevor sie hinter sich griff und den Lichtschalter betätigte. Flutlicht erhellte das gesamte Anwesen.
    Sogleich warf sich Taro brüllend gegen den vier Meter hohen Zaun seines großen Geheges, um Leda zu begrüßen. Er war ein sehr neugieriger Bär, der sie am liebsten auf Schritt und Tritt beobachtete, und sie war erleichtert, ihn unverletzt und munter zu sehen.
    Mukasa indessen ließ sich nicht blicken. Leda stieg die Holztreppe hinunter und schritt lautlos über den Sand. Es war nichts Ungewöhnliches zu entdecken: kein Boot, das neben ihrem Segelboot auf den Wellen schaukelte; Hubschrauberlandeplatz und Rollfeld am Strand waren leer. Auch vor der Küste waren keine Lichter zu entdecken, und Leda hörte nichts außer dem Wind in den Palmen und dem Wellenrauschen.
    Dann aber bemerkte sie, wie sich jenseits des Flutlichts etwas in Mukasas Gehege bewegte, etwas Aufrechtes, Zweibeiniges, das sich im Schatten hielt. Eine unbändige Wut stieg in Leda auf. Die Drohungen des Drogenbarons machten

Weitere Kostenlose Bücher