Schatten der Vergangenheit (Junge Liebe) (German Edition)
ungerechterweise ärgerlich an, weil ich jetzt am allerwenigstens irgendwelche Beziehungsanalysen oder guten Ratschläge gebrauchen, geschweige denn vertragen kann. Der einzige Grund, warum ich sie überhaupt nur reingelassen habe, ist doch die Tatsache, dass sie gestern mit meinem Marc unterwegs war und ich ihr an der Nasenspitze ablesen kann, dass sie irgendetwas weiß, was für mich von Bedeutung sein könnte, oder ich zumindest wissen müsste.
„Weißt du, Marc hat eindeutig recht“, redet sie so beiläufig und furchtbar ruhig, während sie erneut an meinem Kaffee nippt, dass mir der Hals anschwillt, weil ich ganz genau weiß, dass sie es mit purer Absicht macht, um mich aus der Reserve zu locken, damit ich ganz von alleine alles ausplaudere, was sie doch scheinbar ohnehin bereits von Marc erfahren hat. Trotzdem legt sie es drauf an, es von mir zu hören, und ich wette, nur damit Marc fein aus dem Schneider ist und ich ihm keinesfalls Verrat nachsagen kann.
„Einen Scheißdreck hat er. Marc hat überhaupt keine Ahnung. Der will sich doch bloß wichtig machen. Der feine Herr Doktor“, rede ich mich herrlich in Rage und weiß selber nicht einmal genau, warum ich so wütend auf ihn bin, weshalb ich mich einfach erschöpft auf einen meiner Küchenstühle fallen lasse und meine Füße, sauer über mich selber, verschränkt auf den Tisch packe, um Bea nebenbei eindrucksvoll meine Abwehr zu verdeutlichen.
„Du bist bis über beide Ohren verliebt in den Kerl“, ist es nur eine reine Feststellung, die sie allerdings mit einem so wissenden Schmunzeln unterstreicht, dass ich gar nicht erst auf die Idee komme, ihr zu widersprechen und verschränke stattdessen noch zusätzlich meine Arme vor der Brust.
„Gott, das ist so niedlich“, kichert sie haltlos und scheint sich auf meine Kosten hier ganz prächtig zu amüsieren, was mich nur leise maulig grummeln lässt.
„Daran ist überhaupt nichts niedlich, süß, entzückend oder dergleichen. Sechs Jahre im Arsch und ich Volldepp renne mit offenen Augen in mein Unglück“, flüstere ich kraftlos und vollkommen erschöpft, weil mir gerade wieder einmal viel zu deutlich wird, was eigentlich alles gegen uns spricht und welche Hindernisse es zu überwinden gilt, von denen ich noch nicht wirklich überzeugt bin, dass Marc das überhaupt will. Immerhin hat er ein fast perfektes Leben und versucht gerade allem Anschein nach mit dieser Jennifer eine kleine perfekte Familie zu schaffen, die ich keineswegs auf meinem Gewissen haben will.
„Ach hier, das hat mir übrigens dein Nachbar in die Hand gedrückt“, deutet Bea auf einen Stapel Zeitungen, der auf meinem Schrank liegt, zwischen dem zwei Briefe hervorlugen, und wirft ihn mir im nächsten Moment auch schon zu, sodass ich instinktiv versuche die Flugpost aufzufangen und den einen helllila Briefumschlag skeptisch begutachte, indem ich ihn in meiner Hand mehrfach drehe.
„Woher haben die plötzlich meine Adresse und Telefonnummer?“, hauche ich ganz leise, mehr zu mir selbst, was Bea jedoch keinesfalls entgeht und natürlich ihre Neugierde weckt.
„Von wem ist der Brief?“, hakt sie leise vorsichtig nach und schiebt sich von der Arbeitsfläche meiner Küche, um ihre Neugierde zu stillen, indem sie um den Tisch herumläuft und sich hinter mich stellt, von wo sie interessiert über meine Schulter blickt und kurzerhand den Brief aus meinen Fingern nimmt, um ihn umzudrehen und wieder an seinen Platz zurückzustecken, nur damit sie den Absender lesen kann.
„Ich hätte es dir auch sagen können“, schmunzle ich, weil es so typisch für Bea ist und nur wieder ihre Ungeduld beweist, die aber keineswegs nervig oder anstrengend bei ihr wirkt, sondern eher liebenswert.
„Bis dahin wäre ich dreiundachtzig und eine faltige kleine Omi, die wahrscheinlich einen Herzinfarkt erleidet, wenn sie erfährt, von wem der Brief ist. Das ist doch Marcs Schwester, oder nicht?“, fragt sie natürlich direkt neugierig nach, obwohl ich mir sicher bin, dass sie ganz genau weiß, dass es so ist. Denn wenn Marc nicht zumindest den Namen von Melissa erwähnt haben sollte, hätte er garantiert auch nicht mit Bea über mich gesprochen. Was für meine Zwecke natürlich vorteilhafter wäre.
Doch zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich, seit ich fünfeinhalb Jahre alt bin, nicht mehr an den Weihnachtsmann glaube. Dafür aber an die Wirkungsweise von Schlägen, bevorzugt mit einem Ledergürtel, den ich damals netterweise von meinem Vater
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