Schatten der Vergangenheit (Junge Liebe) (German Edition)
du eigentlich von mir? Bist du wirklich nur hergekommen, um mich zu nerven? Dann kannst du gleich wieder abzischen. Ich brauche keine dämlichen Fragen oder gut gemeinte Ratschläge, die mich ohnehin nicht weiterbringen. Weil du absolut keine Ahnung hast, wie es hier drin in mir aussieht und egal, was Marc dir erzählt hat, solltest du ihm nicht mal annähernd die Hälfte davon glauben“, wettere ich deshalb auch umgehend drauflos, ohne einen wirklichen Grund. Aber immerhin ist sie einfach in meine ganz persönliche kleine Depression geplatzt und muss sich jetzt auch nicht über meine Unhöflichkeit wundern. Ich habe sie schließlich nicht auf ein Stückchen Frustkuchen eingeladen.
„Eigentlich wollte ich nur wissen, ob du hingehst“, haucht Bea ganz leise und sieht mich dabei so eindringlich an, dass mir unmittelbar bewusst wird, dass es ein Fehler war, mich gerade so gehen zu lassen. Weil ich sie damit erst richtig neugierig gemacht habe.
„Aber jetzt … schuldest du mir eine Erklärung“, setzt sie sich auch schon mit verschränkten Armen vor mir auf den Tisch und funkelt mich geradezu herausfordernd an, was mich, obwohl ich viel lieber sauer sein möchte, leicht schmunzeln lässt, weil es einfach nur total niedlich wirkt, wenn sie das tut und ich ihr keine Sekunde lang böse sein kann.
„Also?“, haucht sie mit aufgeregt leuchtenden Augen, als wäre sie gerade vier Jahre alt und würde auf eine wahnsinnig interessante Geschichte warten. Natürlich in ihrer typisch ungeduldigen Art, was mir ein leises Glucksen entlockt und ich mir ein Herz nehme, sie wenigstens ein Stückchen einzuweihen. Zumindest soweit, dass sie Ruhe gibt und keine weiteren Nachforschungen anstellt, denn das traue ich ihr ohne Weiteres zu.
Genau genommen erzähle ich ihr schließlich doch viel zu viel, weil mir mit jedem Satz, den ich sie ein wenig mehr in meine Vergangenheit eintauchen lasse, klarer wird, dass sie rein gar nichts wusste und Marc somit kein Sterbenswörtchen von sich gegeben hat. Zumindest was unsere frühere Freundschaft oder meine Kindheit angeht. Denn Bea ist sichtlich geschockt, als ich schließlich von meinem Vater erzähle. Mir hingegen tut es unerwartet gut, mit jemandem darüber zu reden, der vollkommen unvoreingenommen ist und ich ärgere mich direkt, dass ich es nicht schon viel früher getan habe und meinen ganzen Frust stattdessen immer nur tiefer in mich hineinfraß. Was mich im Prinzip so ungeheuer misstrauisch und vorsichtig gemacht hat.
„Ich lass dich da nicht wieder hin“, unterbricht Bea bestimmt meine Erzählung und irritiert mich ein wenig, weil ich ihr momentan nicht wirklich folgen kann und sehe sie wohl dementsprechend verstört an, was sie schon wieder sanft lächeln lässt.
„Wenn ich von vornherein gewusst hätte, warum du damals abgehauen bist und wie … wie schrecklich dein Vater zu dir war oder ist, dann hätte ich dir niemals geraten, zu deiner Omi zu fahren, auch wenn sie mir wahnsinnig leid tut, dass es ihr schlecht geht und sie dich nur noch mal sehen wollte“, redet sie drauflos und sieht mich dermaßen mitleidig an, dass ich es bereits bereue, ihr alles erzählt zu haben. Denn wenn ihr Beschützerinstinkt erstmal geweckt ist, gibt es kein halten mehr und man muss sich förmlich vor ihrer Überfürsorge in Acht nehmen.
Dummerweise legt sie, wie erwartet, diese Art auch in den folgenden Wochen nicht ab und benimmt sich übertrieben rücksichtsvoll und freundlich, was mich betrifft, selbst wenn sie wieder zum Opfer meiner schlechten Laune wird, weil Marc abermals ein Treffen kurzfristig abgesagt hat. Das Vierte um genau zu sein. Im Grunde habe ich, außer ein paar äußerst kurz angebundenen und irgendwie zwanghaften Telefongesprächen, rein gar nichts von ihm gehört, geschweige denn gesehen. Weil er entweder ständig zu einem dringenden Termin musste, ich unpassend anrief oder sein Handy gar nicht erst erreichbar war, weil er angeblich Nachtschicht hatte und jedes Mal schlief, wenn ich anrief, wie sich im Nachhinein rausstellte. Ziemlich häufig für meinen Geschmack und jeder missglückte Versuch ließ meine Laune weiter sinken, die sich mittlerweile an ihrem absoluten Tiefpunkt befindet. Zu Beas Glück hält sie sich allerdings gerade nicht in meiner Nähe auf und muss meinen Groll deswegen auch nicht, wie die ganzen Wochen zuvor, unschuldig ertragen.
„Ich bin noch mal weg“, rufe ich quer durch unser Studio, weil Jan sich gerade irgendwo im Lager rumtreibt, und
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