Schatten Der Versuchung
schnell wieder ein ernstes Gesicht zu machen, und warf Natalya einen entschuldigenden Blick zu. »Leg dich einfach hin, Vikirnoff, und bleib ganz ruhig. Natalya, du musst mir den Gesang beibringen, den alle karpatianischen Heiler benutzen, wenn sie arbeiten.«
»Ich kenne ihn nicht«, bekannte Natalya und fühlte sich sofort beschämt und schuldbewusst. Warum, wusste sie selbst nicht.
Es gab keinen Grund, weshalb sie das blöde Lied kennen sollte. »Ich bin nur zum Teil Karpatianerin und habe nie bei diesem Volk gelebt. Ich weiß sehr wenig darüber.«
Vikirnoff fing mit einer Hand ihr Kinn ein und hob es. Ihr Blick flog zu seinem und blieb wie gebannt daran hängen, obwohl sie sich am liebsten losgerissen hätte. Trotz seiner schweren Verletzungen verfügte er über erstaunliche Kräfte. Ich mag es nicht, dass du dich schämst. Wie solltest du etwas kennen, wenn es dir nie beigebracht worden ist? Nur wenige wissen, dass das Herz eines Vampirs verbrannt werden muss, damit er sich nicht immer wieder erhebt. Noch weniger bekannt ist, wie man sein Bewusstsein vom Körper löst, um sich selbst oder andere zu heilen. Und die Zahl derer, die die heiligen Wörter des Heilens kennen, ist sogar noch geringer.
Seine Stimme wirkte beruhigender als seine Worte. Sie streichelte Natalya wie Seide und umgab sie mit einer Wärme, die ihr unerwartet Tränen in die Augen steigen ließ. Sie schluckte den Kloß hinunter, der ihr in der Kehle steckte, und riss ihren Blick von ihm los. Er rührte sie auf eine Art und Weise, die sie nicht begreifen konnte, und ihre Reaktion auf ihn machte ihr Angst. Sie schämte sich furchtbar, dass sie so unfreundlich zu Vikirnoff war, wenn er mit offenen Wunden an Brust, Oberschenkel und Rücken im Bett lag und dabei noch versuchte, sie zu trösten.
Mir fällt es selbst schwer, meine Gefühle unter Kontrolle zu behalten. Warum sollte es für dich leichter sein ? Du hast keinen Grund, dich zu schämen.
Sein Geständnis brachte sie fast wieder zum Weinen. Natalya beugte sich über seinen Oberkörper, um die Mischung aus heilender Erde und Speichel auf die Wunde zu packen, die seinem Herzen so nah war. Sie spürte unter ihren Fingern, wie sich seine Muskeln anspannten, und als sie nervös aufblickte, sah sie winzige Blutstropfen auf seiner Stirn. Ihr Magen rebellierte sofort, und ihr Atem entwich zischend durch ihre Zähne.
»Schon gut, Natalya«, beruhigte Slavica sie. »Vikirnoff bringt uns die Worte bei, damit wir sie singen können, während du versuchst, ihn zu heilen.«
Mach schnell! Die Worte entschlüpften ihr, atemlos vor Angst. Natalya biss sich auf die Lippe, doch das verhinderte nicht, dass die Sorge in ihrem Inneren sie verriet. Sie hasste es, ihm Schmerzen zuzufügen, auch wenn sie wusste, dass sie ihm mit der Erde half. Verrate mir die Worte, und ich sage sie Slavica weiter. Und erklär mir, was die Worte bedeuten.
Kunasz, nélkül sivdobbanás, nélkül fesztelen löyly. Es bedeutet: »Du liegst wie im Schlaf, ohne Herzschlag, ohne Atemzug.« Vikirnoff hustete, und Blut färbte seine Lippen. Er wandte das Gesicht ab und fuhr fort: Ot élidamet andam szabadon élida-dért. Das bedeutet: »Ich gebe bereitwillig mein Leben für dein Leben. « Sein Blick huschte über sie. Vielleicht möchtest du nicht weitermachen.
Sag mir einfach die Worte.
O jelä sielam jorem ot ainamet és sone ot élidadet. Wieder hustete Vikirnoff und zog sein zerrissenes Hemd an seinen Mund. Natalya konnte sehen, dass es sofort mit Blut befleckt war. »Mein inneres Licht vergisst meinen Körper und betritt den deinen. « O jelä sielam pukta kinn minden szelemeket belso.
Vikirnoff machte eine Pause, als Natalya das Hemd nahm und ihm behutsam den Mund abwischte. Ihre Augen begegneten seinen. »Und was heißt das?«
»Mein inneres Licht vertreibt alle bösen Geister. « Seine Hand tastete nach ihrem Handgelenk und hielt es fest. Danke, Natalya.
»Nichts zu danken. Sag mir schnell den Rest, bevor du das Bewusstsein verlierst.«
Paj'nak o susu hanyet és o nyelv nyálamet sivadaba. Das heißt: »Ich lege die Erde meiner Heimat und den Speichel meiner Zunge in dein Herz.. «
»Im Grunde beschreibt das Lied genau die Prozedur des Hei-lens«, bemerkte Natalya.
Vikirnoff nickte. Vii o verim sone o verid andam. »Das bedeutet: Und ich gebe dir mein Blut für dein Blut. « Diese Stelle wird wiederholt, solange der Heiler sich im Körper des anderen befindet. Es ist eine Zeremonie, die über Jahrhunderte hinweg
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