Schatten Der Versuchung
bereits bleischwer. Sie hatte das völlig absurde Bedürfnis, sich neben ihn zu legen, sich schützend an ihn zu schmiegen und zu schlafen.
»Ist es in Ordnung, wenn ich dich jetzt allein lasse?«, fragte Slavica. »Mirko musste sich bis jetzt allein um das Gasthaus kümmern, und ich möchte gern Näheres über Brent Barstow herausfinden.«
»Ich werde die Tür sichern müssen, versuch also nicht hereinzukommen, außer ich rufe dich«, ermahnte Natalya sie. »Ich gebe Bescheid, wenn wir etwas brauchen. Vielen Dank für deine Hilfe, Slavica. Und entschuldige bitte, falls ich mich merkwürdig verhalten habe.«
Slavica tätschelte ihren Arm. »Nicht nötig. Mirko und ich werden uns bemühen, diesen Barstow im Auge zu behalten.«
Natalya schüttelte den Kopf. »Ihr habt genug für uns getan. Ich möchte keinen von euch in Gefahr bringen. Wir schlafen bis heute Abend, dann sehen wir weiter.«
Sie folgte der Wirtin zur Tür, um den Korridor zu überprüfen. Leise Unruhe regte sich in ihr, aber das mochte die Angst sein, mit einem karpatianischen Jäger allein zu sein. Und nicht mit irgendeinem Jäger, sondern mit Vikirnoff. Sie begann damit, unsichtbare Schutzvorkehrungen an Tür und Fenstern zu treffen. Jeder, der auf die Idee kam, ihren Schlaf zu stören, würde ein paar unangenehme Überraschungen erleben.
Hervorragende Arbeit. Ich hätte es selbst nicht besser machen können.
Sein Zugeständnis freute sie, obwohl ihr der Umstand, dass er nicht schlief, Unbehagen bereitete. Ich lerne das seit frühester Kindheit. Meine Familie stammt aus einer sehr alten Linie, und die magischen Formeln sind über Jahrhunderte hinweg weitergegeben worden. Sie runzelte die Stirn, als ihr auffiel, dass sie die sehr intime Form der geistigen Kommunikation gebrauchte, statt laut zu sprechen.
Tut mir leid, dass dir diese Art der Unterhaltung unangenehm ist. Ich habe nicht die Kraft für verbale Konversation.
»Das weiß ich. Ich habe mich ja auch nicht beschwert. Wenn du dich aus meinem Kopf heraushalten könntest, würdest du nicht ständig Dinge aufschnappen, die nicht für deine Ohren bestimmt sind. Jeder braucht seine Privatsphäre. Ich ganz besonders.« Sie trommelte mit ihren Fingern auf die Matratze. »Du brauchst Blut. Und ich muss dich waschen. Ehrlich gesagt, du siehst verheerend aus.« Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und musterte ihn. »Mir ist ein Rätsel, wie du es schaffen konntest, dich auf dem Rücken eines Tigers zu halten.«
Der Tiger war eine wundervolle Erfahrung. Mein Bruder hat mir bei mehr als einer Gelegenheit gesagt, dass ich ein Dickschädel bin.
»Was du nicht sagst.« Natalya warf ihm ein schiefes Grinsen zu, während sie Handtücher, einen Waschlappen und eine Schüssel mit warmem Wasser aus dem Badezimmer holte. Sie freute sich über sein Kompliment. »Kann ich mir gar nicht vorstellen, dass dich jemand als Dickschädel bezeichnet.«
Du bist ja ganz schön mutig, wenn ich scheinbar hilflos bin.
Natalyas Augenbrauen fuhren hoch. »Scheinbar?« Sanft rieb sie sein Gesicht sauber und strich sein Haar mit dem Waschlappen zurück.
Du musst das nicht tun.
Sie runzelte die Stirn und trocknete behutsam sein Gesicht ab. »Doch, muss ich. Du bist völlig schmutzig. Übrigens, ich schlafe auf dem Fußboden.« Genau das hatte sie vor – auf dem Fußboden schlafen, direkt vor der Tür, mit etlichen Waffen in Reichweite. Sie sehnte sich danach, sich hinzulegen und ein paar Tage in ihrem weichen Bett zu schlafen, aber das würde sich kaum einrichten lassen.
Vikirnoff schwieg wieder, und sie wusch seinen Oberkörper von oben bis unten ab, bevor sie mit dem Handtuch über seine harten Muskeln fuhr, um die letzten Blutspuren von seiner Brust und seinem Bauch zu entfernen. Die Überreste seines Hemdes warf sie in eine Ecke. Sie zögerte und überlegte, ob sie weitermachen sollte, aber sie war erledigt und musste ihn auch noch mit Blut versorgen. Außerdem wollte sie nichts allzu Verführerisches von ihm zu sehen bekommen.
Sein leises Lachen echote in ihrem Kopf. Es ist wenig wahrscheinlich, dass ich irgendetwas von dem machen könnte, an das du gerade denkst.
Bilde dir bloß nichts ein. Ich bin nicht so leicht zu beeindrucken. Verlegen, weil er wieder einmal ihre Gedanken gelesen hatte, eilte Natalya ins Badezimmer. Die meisten Zimmer besaßen einen gemeinsamen Waschraum, aber Natalya hatte ausdrücklich um ein privates Bad gebeten. Sie hatte ein schlechtes Gewissen gehabt, weil sie wusste, dass sie
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