Schatten Der Versuchung
umzingelt, belagert, verwundet und ungeschützt. Wir sind ihm zahlenmäßig weit überlegen, und er kann uns nicht entkommen. Wenn er fällt, wird mit ihm seine Linie aussterben. Seine Leute werden sich in alle vier Winde zerstreuen, und wir werden sie uns vornehmen, einen nach dem anderen.« Maxim trommelte mit seinen langen Fingernägeln auf seinen Arm, im selben Rhythmus wie das Wasser, das nach wie vor stetig in die Lache tropfte.
Vikirnoff riskierte einen kurzen Blick auf das brodelnde Wasser. Es war gestiegen und begann über den Rand auf den Boden zu fließen, wo die bräunliche Flüssigkeit sich wie die Finger einer Hand über das Eis schob, durch unsichtbare Vertiefungen lief und mehreren Pfaden folgte, die alle zu Natalya führten. Vikirnoffs Herz machte einen Satz, als ihm auffiel, dass ihr das Wasser bedrohlich nahe gekommen war. Er durfte nicht länger warten. Natalya musste einen Ausweg aus der Höhle finden. Wenn er versuchte, mit ihr auf dem Weg, den sie gekommen waren, zu fliehen, würden die Vampire sie töten, noch bevor sie den Ausgang der Höhle erreicht hatten. Er war im Lauf der Jahrhunderte schon öfter in brenzligen Situationen gewesen, aber noch niemals war die Lage so verzweifelt gewesen wie jetzt – und noch nie hatte er dabei eine Gefährtin beschützen müssen.
Ich glaube, ich kann den Fluchtweg öffnen, Vikirnoff. Ein Wort von dir, und ich versuch's.
Es hatte kaum Sinn, die Sache aufzuschieben. Malinov hatte vor, ihn zu töten, und Vikirnoff wollte nicht warten, bis alle drei Vampire Stellung bezogen hatten, um genau das zu tun. Arturo rückte bereits näher, Cezar und seine zwei Klone knurrten und bleckten die Zähne. Malinov lächelte bloß, mit kühlen, wachsamen Augen.
Vikirnoff ging blitzartig zum Angriff über. Jetzt, Natalya ! Öffne den Weg und halte dich bereit! Lass die anderen nicht sehen, was du tust. Er ließ die Feuerpeitsche über die Rücken der drei Bestien zischen, die ihn anknurrten. Eines der Wesen heulte, und Vikirnoff schlug erbarmungslos immer wieder zu, um Flammen über das dunkle Fell zu jagen. Cezar veränderte sofort seine Gestalt, indem er sich in grünlichen Dunst auflöste und zu der kleinen Wandnische glitt, wo das Waffenlager verführerisch lockte.
»Nein!« Natalya stieß die Warnung als Erste aus, gleich darauf folgte Vikirnoffs Echo.
Es war zu spät. Cezar packte ein massives Schwert und drehte sich zu Vikirnoff um. Wind brauste mit einem schaurigen Heulen durch die Kammer. Die hohen Säulen aus Eis bebten, und in den Kristallkugeln wirbelten Wolken und Nebel zornig durcheinander. In einer Ecke der Höhle bewegte sich etwas.
Der Boden brach auf und öffnete sich zu einem langen, zerklüfteten Spalt, der mehrere Zentimeter tief der Länge nach durch den Raum lief. An der Decke und an den Wänden krachte und knirschte das Eis so heftig, dass sich über ihren Köpfen Risse bildeten. Schwarzgraue Rauchschwaden quollen durch die Spalten im Eis herein und wurden vom Wind getragen, bis die ganze Höhle in düsteres Grau getaucht war. Der Rauch teilte sich zu einzelnen Säulen, die sich ständig bewegten. Feurige rote Augen glitzerten bedrohlich aus dem Grau hervor; Rüstungen und lange Schwerter funkelten.
»Was hast du getan?«, fuhr Malinov Cezar an und starrte die großen, unheimlichen Gebilde an, die überall in der riesigen Kammer Gestalt annahmen.
»Er hat berührt, was nicht ihm gehört«, sagte Vikirnoff.
»Idiot«, knurrte Maxim. »Du hast die Schattenkrieger gerufen.«
»Sie hat die Sachen angefasst«, verteidigte Cezar sich. »Sie hat was in ihren Rucksack gesteckt. Ich habe die Krieger nicht über uns gebracht.«
Das Blut des dunklen Magiers fließt in meinen Adern. Ich kann Dinge berühren, die für andere tabu sind.
Und du kannst ihnen Befehle erteilen, bemerkte Vikirnoff.
Vielleicht.
Maxim zeigte auf Natalya. »Tötet den Jäger und nehmt die Frau gefangen, bevor es zu spät ist. Und bringt mir, was sie in ihrem Rucksack hat.«
Cezar stürzte sich mit erhobenem Schwert auf Vikirnoff, während Arturo wie erstarrt stehen blieb. Die Schattenkrieger kamen sofort in Bewegung. Ihre glühenden Augen auf Cezar gerichtet, rückten sie von allen Seiten näher, um ihn einzukreisen.
Bewegung weckt ihre Aufmerksamkeit. Rühr dich nach Möglichkeit nicht von der Stelle, Natalya. Kannst du die Krieger zu ihren Ruhestätten zurückschicken, so wie es dir bei dem einen im Gasthaus gelungen ist?
Ich weiß es wirklich nicht. Es sind so viele
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