Schatten der Wahrheit
verließen die BattleMechs der Söldner das Schiff. Die kleineren Maschinen schifften zuerst aus. Allerdings war >kleiner< ein relativer Begriff, denn selbst der leichteste der Mechs ragte noch hoch über die größten Artillerielafetten auf. Crow erkannte eine Spinne, dann einen Brandstifter und schließlich einen Katamaran III. Hier gab sich niemand mit umgebauten Industrie- oder AgroMechs ab. Alle Mechs der Söldnertruppe waren von Grund auf für den Kampfeinsatz entwickelt. Dann tauchte der letzte Battle-Mech aus dem dunklen Inneren des Landungsschiffes auf: ein Jupiter, einhundert Tonnen gepanzerte Mordmaschine. Einauge Jack Farrells persönlicher Liebling.
»Das ist tatsächlich ein gut ausgerüsteter Haufen«, bemerkte Tara Campbell. Ein bedauernder Ausdruck huschte über ihre Züge. »Ich wünschte, der Rat wäre seinen eigenen Regimentern gegenüber großzügig genug, uns das Geld für derartige Ausrüstung zu bewilligen. Zum Teufel, ich wünschte, es wäre genug Geld da, dass ich es über mich bringen könnte, darum zu bitten.« Sie trat mit einem Seufzer vom Fenster zurück. »Ich schätze, es wird Zeit, Mister Farrell die Hand zu schütteln und ihn auf Northwind will-
kommen zu heißen. Ich hoffe, er hat keine Empfangszeremonie erwartet.«
»Das tun Söldner selten«, erwiderte Crow.
Januar 3134, Trockenzeit
Beweise. Vernichtende Beweise. Ausgebreitet auf dem Bildschirm der Computerkonsole in Anastasia Kerenskys Quartier.
Der MedTech Ian Murchison hatte ihr nicht mehr als einen Namen geliefert, den Bericht über einen beunruhigenden - und nicht gemeldeten - Zwischenfall. Und eine Vermutung. Ein geschickter Zug Mur-chisons, dachte Anastasia, sie daran zu erinnern, dass sein Status als Leibeigener ihm weder die Möglichkeiten noch die Autorität gab, tiefer zu graben und ihr die detektivische Herausforderung dann zurückzuspielen.
Und es war auch ein kluger Schachzug gewesen. Murchison hatte sich aus der Verantwortung gestohlen, indem er den Favoriten des Galaxiscommanders anklagte - und damit Anastasia gezwungen, den Rest der Untersuchung selbst zu übernehmen.
Sie war die einzige Person auf B-D 47 mit einer ausreichend hohen Sicherheitseinstufung, um Nachrichten zurückzuverfolgen, die in ihrem Namen oder mit ihrem Zugangscode abgeschickt worden waren, und auch die einzige Person, die mit Sicherheit schwören konnte, dass sie eine bestimmte Nachricht nicht abgeschickt hatte.
Sobald sie die erste Nachricht gefunden hatte, für die das galt, war der Rest einfach. Sie konnte die Verwendung des Zugangscodes zur Einrichtung versteckter Ein- und Ausgangskörbe verfolgen, und dort hatte sie leichtsinnigerweise nicht gelöschte Unterlagen entdeckt. Die wenigsten hätten Anastasia Kerensky zugetraut, eine solche Suche durchführen zu können. Sie war eine Stahlwolfkriegerin, und Krieger gaben sich mit derlei Dingen eigentlich nicht ab.
Tassa Kay jedoch hatte ein unwölfisches Interesse daran, sich alle Arten von Fertigkeiten anzueignen, die für Krieger unpassend waren. Die Grundzüge dieser Fähigkeit hatte sie von einem vorübergehenden Liebhaber einige Systeme zuvor erlernt. Anastasia hatte für etwas fast zwei Wochen gebraucht, das ihr damaliger Bettkumpan innerhalb von Minuten hätte ans Licht bringen können, aber das spielte keine Rolle. Sie hatte sich die Zeit genommen, und jetzt hatte sie die Beweise.
Nun hieß es warten. Nicholas Darwin war die ganze Zeit fort gewesen, um die Landungsschiffe zu inspizieren. Das war ein weiterer Punkt, der Murchi-sons Theorie stützte. Darwin konnte eine verheilende Messerverletzung als die Folge eines Unfalls auf der Inspektionstour ausgeben. Aber heute kam er zurück, und früher oder später würde er in ihr Quartier kommen. Früher, wenn er sie nicht in den öffentlichen Bereichen der Bohrplattform fand.
Sie war bereit für ihn. Sie konnte warten.
Für diese Gelegenheit hatte sie Tassa Kays Lederzeug und Stiefel angelegt. Es war eine passende Kleiderwahl, dachte sie. Sie war gerade als Tassa Kay unterwegs gewesen, als sie Nicholas Darwin kennen gelernt hatte, und sie hatte ihn als Tassa Kay mit nach Hause in ihr Bett genommen. So war es nur angebracht, dass sie auch jetzt ein letztes Mal Tassa Kay spielte.
Noch ein letztes Mal, dachte sie, und dann nie wieder?
Der Gedanke hatte seinen Reiz, aber im Innersten wusste es Anastasia besser. Es schien gut möglich, dass sie Tassa Kay eines Tages wieder brauchte, und es war nicht ihre Art, ein gutes Messer
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