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Schatten der Wahrheit

Schatten der Wahrheit

Titel: Schatten der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
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ihr Wesen. Laut fragte er: »Wie das?«
    »Man braucht nie alles restlos richtig zu machen. Es genügt, wenn man so nahe an das Richtige herankommt, wie es mit den verfügbaren Zutaten möglich ist.« Sie schwenkte mit einem Holzlöffel das Fleisch in der Sautepfanne und runzelte dabei leicht die Stirn. »Das ist ein Grund, warum ich in erster Linie Soldatin bin und erst lange danach Politikerin.«
    »Mancher«, kommentierte er, »würde sagen, dass es keinen großen Unterschied zwischen Politik und Kriegsführung gibt.«
    »Das liegt dann aber daran, dass sie keinen Beruf haben, in dem sie beides tun müssen.« Sie würzte das Fleisch: mit Salz, grobem Pfeffer und einer großzügigen Prise eines rosigbraunen Pulvers, das wie eine Mischung aus Sternanis und Sandelholz roch. Plötzlich hing ein schweres Aroma in der Küche. »Ich schon, und ich sage Ihnen, Paladin, wenn ich die Wahl habe, schlage ich in jedem Fall lieber eine schwere Feldschlacht, als dass ich versuche, im Rat ein Friedensbudget durchzubringen.«
    Jetzt gab sie das gehackte Gemüse in die Pfanne. Wieder zischte es laut, und eine Dampfwolke stieg zur Decke. Sie setzte den Deckel auf die Pfanne und stellte den Herd kleiner. »Nun überlassen wir es eine Weile sich selbst.«
    Die Countess of Northwind gab die benutzten Kochutensilien in den Geschirrspüler und ging ins Wohnzimmer. Crow folgte ihr. Sie nahm an einem Ende der breiten Ledercouch Platz und winkte ihm, sich neben sie zu setzen. Er gehorchte gern.
    »Das Allerletzte, was ich mir wünschen würde«, setzte Tara das Gespräch fort, »wäre Ihr Beruf. Die ganze Zeit nichts als Politik, selbst, wenn Sie kämpfen.«
    »Eine Präfektin, der die Politik verhasst ist«, stellte er mit milder, beinahe mitfühlender Belustigung fest. »Das Leben kann so hart sein.«
    Sie schaute ihn ärgerlich an. »Ich mache diese Arbeit, weil es meine Pflicht ist und niemand sonst zur Verfügung steht. Was ist Ihre Entschuldigung?«
    »Ich kann es. Und ich kann es gut.« Mit falscher Bescheidenheit erreichte er hier nichts, nicht nachdem seine Feststellung so offensichtlich der Wahrheit entsprach. Also versuchte er es gar nicht erst. »Und es muss getan werden - wieder und immer wieder -, wenn die Republik der Sphäre nicht im Chaos versinken soll.«
    »Ich verstehe.«
    In Taras Stimme verwob sich eine Vielzahl von unausgesprochenen Fragen und Antworten. Er wusste, sie dachte an das brennende Chang-An und an alles, was er in dessen Untergang verloren haben musste. Ihre blauen Augen, in denen Tränen des Mitgefühls aufwallten, sprachen von Sympathie -und möglicherweise von noch mehr. Aus einem plötzlichen Impuls heraus - es war lange her, dass ihm jemand einen Moment des Mitgefühls angeboten hatte - rutschte er auf der Couch näher, dann beugte er sich zu ihr hinüber und küsste sie.
    Sie erwiderte den Kuss.
    Jetzt zögerte sie nicht, sondern war so sicher und entschieden wie ein General, der einen Kampfvorteil nutzte. In einem vagen Augenblick der Reflexion fragte er sich, ob die letzte Gelegenheit eines solchen gegenseitigen Trostes für sie ebenso weit zurück lag wie für ihn. Dann ließ er jeden analytischen Gedanken fahren. Seine Hände knöpften ihre Uniformbluse praktisch von selbst auf. Ihre Hände waren ebenso damit beschäftigt, ihn auszuziehen.
    Das Curry verkochte, und sie aßen Stunden später schnell erhitzte Fertiggerichte aus dem Kasernenladen, aber das war ihnen egal.
    Februar 3134, Trockenzeit
    Die schmale Straße zog sich südwärts von Fort Barrett an der Küste entlang. Zunächst kam die Einsatzgruppe durch Ortschaften, die um billige Ruhestandsiedlungen für Kearnys Senioren und Strandhäuser für Touristen aus dem Inneren des Kontinents gewachsen waren. Aber als die Stadt weiter als ein paar Tage zurückfiel, waren sie allmählich dünner gesät. Stattdessen verlief die Straße zwischen Fischfabriken und Fischerdörfern, an deren langen Kais rostige Kutter den Tagesfang ausluden. Dann wurde auch die Distanz zwischen diesen immer größer, bis sogar das Straßenpflaster verschwand und nur noch ein einspuriger Feldweg blieb, der, soweit Will Elliott das abschätzen konnte, ein- oder zweimal im Jahr planiert wurde.
    Mit abnehmender Straßenqualität sank auch die Geschwindigkeit, mit der die Einsatzgruppe vorankam. Will und seine Mitkundschafter verbrachten den größten Teil der Zeit damit, Ladenbesitzern, örtlichen Polizisten und (auf einen Vorschlag Wills, der selbst in einem Dorf

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