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Schatten der Wahrheit

Schatten der Wahrheit

Titel: Schatten der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
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umkämpften Zuschlag für die Postroute erhalten hatte, und stellte fest, dass er ihn vergessen hatte. Er wusste nicht einmal mehr den Namen der Gesellschaft. Dummkopf, schalt er sich. Du lässt nach und hast es nicht einmal bemerkt.
    Er hatte auch das Unvermeidliche schon zu lange hinausgezögert. Er zwang seine Hände zur Ruhe und öffnete den versiegelten Brief.
    Der Text war gedruckt. Das war keine große Überraschung. Er hätte die Handschrift eines bekannten Feindes oder angeblichen Freundes erkennen können. Anonyme schwarze Buchstaben auf weißem Papier konnten von jedem stammen. Das Papier selbst war von ausgezeichneter Qualität, aber das besagte gar nichts. Wer auch immer über die Mittel verfügte, Daniel Peterson aufzuspüren, einen Mann, der im gröbsten körperlichen Sinn vor dreiundzwanzig Jahren in Chang-An gestorben war, dessen Identität mit all den anderen in einem Massengrab verschwunden und planiert worden war, der konnte es sich auch leisten, seine Erpresserbriefe auf gutem Papier aufzusetzen.
    Der Brief war nur drei Sätze lang:
    Farrells Söldner stehen zu Ihrer Verfügung. Anastasia Kerensky will Northwind. Sorgen Sie dafür, dass sie bekommt, was sie will.
    Februar 3134, Winter
    Kapitänin Tara Bishop arbeitete heute länger in ihr em Büro in der Neuen Kaserne. Draußen war es schon dunkel, sie hatte jedoch noch immer Daten und Papiere durchzusehen, um wirtschaftliche und nachrichtendienstliche Zusammenfassungen für die Präfektin schreiben zu können, die ihr Büro ganz im Gegensatz zu ihrer üblichen Gewohnheit diesmal exakt zum Büroschluss verlassen hatte und zurück in ihr Quartier gegangen war. Normalerweise musste man Tara Campbell sozusagen mit der Brechstange aus ihrem Büro hebeln, sehr zu Kapitänin Bishops regelmäßigem Missfallen. Denn im Gegensatz zur Präfektin besaß die Kapitänin so etwas wie ein Privatleben.
    Natürlich, dachte Bishop, bestand immer die Möglichkeit, dass sich auch Tara Campbell endlich ein Privatleben zugelegt hatte, das sich nicht um diplomatische und Militärempfänge drehte. Die Präfektin hatte nichts dergleichen verlauten lassen - sie war ein sehr zurückgezogener Mensch, vermutlich als Reaktion auf ihre Kindheit im politischen Rampenlicht. Doch an diesem Morgen hatte sie diesen Eindruck gemacht. Sie hatte weniger angespannt gewirkt als sonst, fröhlicher und ein wenig selbstzufrieden. Kapitänin Bishop erkannte die Zeichen: Es kam nur ein möglicher Verursacher in Betracht.
    Ich frage mich, überlegte sie, ob Paladin Crow auch selbstzufrieden und fröhlich wäre, wenn ich ihn fände?
    Mit einem stillen Lächeln öffnete Bishop die nächste Datei. Sie missgönnte keinem der beiden diese Gelegenheit. Die Präfektin genau wie der Paladin waren viel zu korrekt, um ihre Aufgaben von einer Beziehung beeinflussen zu lassen. Was sich bei weniger pflichtbesessenen Personen als hormonell bedingte Nachlässigkeit geäußert hätte, würde bei diesen beiden wohl bestenfalls zu einem Nachlassen der Intensität führen, mit der sie sich überarbeiteten.
    Und selbst das würde kaum lange anhalten, vermutete sie. Wenn sie sich erst an den Gedanken gewöhnt hatten, würden sie beide wieder achtzehn Stunden am Tag arbeiten. Nur dann zusammen statt jeder für sich.
    Kapitänin Bishop wandte sich einem Wirtschaftsbericht über die Wiederaufforstung der Holz produzierenden Regionen Northwinds zu. Sie war kaum eine Seite weit gekommen und kaute gerade an einem besonders undurchdringlichen Absatz über die Entwicklung von Zweitwuchswäldern in den unteren Rockspire Mountains, als auf der Kommkonsole ihres Schreibtisches plötzlich Dutzende roter Lämpchen blinkten und ein Alarm schrillte. Und das geschah nicht nur auf ihrem Schreibtisch: Die Festbe-leuchtung mitsamt akustischer Begleitung drang auch aus dem leeren Büro der Präfektin, und sie hörte ein ähnliches Schrillen von besetzten und unbesetzten Schreibtischen überall in diesem Teil des Gebäudes.
    Möglicherweise gellte der Alarm in der ganzen Neuen Kaserne, aber die Nachricht ging geradewegs an den Schreibtisch der Präfektin. Kapitänin Bishop drückte den Knopf, der Anrufe für die abwesende Tara Campbell auf ihren Apparat umleitete, nahm den Hörer auf und meldete sich. »Büro der Präfektin, Kapitänin Bishop am Apparat, diese Leitung ist nicht abhörsicher, was kann ich für Sie tun?« Alles in einem schnellen, ununterbrochenen Redefluss.
    »Hier Raumhafen Tara«, antwortete die Stimme am anderen

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