Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten der Zitadelle (German Edition)

Schatten der Zitadelle (German Edition)

Titel: Schatten der Zitadelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Mayerle
Vom Netzwerk:
Spiegel.
    Ein kräftiger, aber ausgezehrter Halbork mit der typisch beigen Haut, einem ungepflegten Wochenbart und zahlreichen Narben am Körper schaute ihn mit tief in die Höhlen eingefallenen Augen an. Das Braun spiegelte einen See aus Trauer, Zorn, Tatendrang und Liebe wieder, in dem man sich leicht verlieren konnte.
    Liebe, die sein Herz wärmte.
    Tatendrang, der die Welt verändern konnte.
    Zorn, der mit dem Tatendrang einherging und seinen Antrieb bildete.
    Und Trauer, die ihn fast verzehrt hätte…
     

    In der Nacht der Wintersonnenwende saß er auf dem Rand eines der zahlreichen Brunnen, die etwas außerhalb der Stadt, nahe den mächtigen Holzpalisaden in der Dämmerung lagen.
    Er lauschte gedankenverloren den zwitschernden Lärchen.
    Traurige Gedanken. Gedanken an Lurd. An dem Prinzen der Zwerge. An Mrosh. An Theta. An seine Eltern. An all die bisherigen Opfer des Krieges.
    Tränen rannen seine Wangen hinab.
    Immerfort plätscherte das kristallklare Wasser den Marmor des Brunnens hinab. Er lauschte still, es beruhigte ihn.
    Dennoch verfolgten ihn die Gesichter der Verstorbenen vor seinem geistigen Auge, ergaben sich langsam in eine vertraute und doch fremde Welt…
     

    Der kristallene Sarg, leise flüstertende Stimmen.
    Die Totenglocken der weißen Stadt.
    Das stille Begräbnis des alten Orkkriegers.
    Das Bangen um Thetas Verbleiben und die schreckliche Nachricht.
     

    Irgendwann - es mochten Stunden gewesen sein oder auch nur Minuten - kam Innah zum Brunnen und weckte ihn aus seiner Trance. Die Lederrüstung hatte er abgelegt, stattdessen trug er ein weißes Festgewand, das lose um seinen Körper flatterte. Sie standen im starken Kontrast zu dem tiefschwarzen Fell, was ihm einen Hauch von Eleganz verlieh.
    "Hier bist du also", begrüßte er Broxx.
    Der Mor'grosh hielt eine Antwort nicht für nötig.
    "Ich weiß, was dich bedrückt", setzte Innah unbekümmert fort und hockte sich neben ihn an den Rand des Brunnens. "Ich habe dasselbe durchgemacht… Vor vielen Jahren, wir waren gerade frisch aus der Ausbildung heraus, tötete ein umherstreifender Gigantuseber meinen Kameraden. Monatelang verfiel ich in Starre. Ich war wie gelähmt.
    Aber lass mich dir eine Weisheit anvertrauen, die ich leider erst viel zu spät erkannt habe: So sehr der Schmerz auch deinen Verstand vergiftet und in dein Herz schneidet: Das Leben wird weitergehen. Vielleicht wird der Verlust für immer wie eine abgebrochene Pfeilspitze in deine Brust bohren. Aber du musst lernen, damit zu leben. Die Trauer wird ein Teil von dir. Ziehe Nutzen aus diesen Erfahrungen, überdenke deine Entscheidungen noch gewissenhafter. Lebe nicht weniger, sondern lebe für deine Verstorbenen mit. Ein Teil von ihnen existiert in dir weiter. Als Erinnerung, als Stück ihres und als Stück deines Lebens. Die Personen, die du betrauerst, haben dein Herz berührt. Sie haben dich verändert. Ohne sie wärst du nicht, wer du heute bist. Manche gaben sogar ihr Leben um deines zu retten. Sie würden nicht wollen, dass du es jetzt achtlos wegwirfst."
    Ohne einen weiteren Kommentar stand der Taure auf und ging.
    Broxx saß noch lang dort und bedachte, was die Toten wohl zu sagen hätten.
    Zum Einbruch der Dämmerung begann eine sanfte Melodie aus der Ferne zu erklingen.
    Erst nur eine einzelne Panflöte, schwoll die Musik zu einem Chor vieler verschiedenartiger Blasinstrumente an, von tiefen, über glockenhelle, von glasklaren zu scheppernden, von Lauten bis hin zu flüsternd Leisen. Diesem Ohrenschmaus lauschend versetzte das Festspiel Broxx erneut in einen Zustand zwischen Traum und Paralyse .
     

    "Broxx... Broxx!" Er spürte das Rütteln von weichen, aber kräftigen Händen an seinen Schultern. Blinzelnd öffnete er die Augen. Über ihn gebeugt kniete eine Halbork Frau mittleren Alters, leichte Fältchen umspannen die gütig auf ihn herabblickenden Augen. Langes schwarzes Haar fiel über die reichlich mit Tätowierungen verzierten Schultern. Irgendetwas in Broxx empfand eine tiefe Verbundenheit zu der Frau.
    "Mein Kleiner Broxx... Zu lange habe ich auf dich gewartet..."
    Da fiel es dem Mor'grosh wie Schuppen von den Augen:
    "Mutter?", fragte er.
    "Ja, Broxx, ja, mein Sohn."
    Schluchzend fiel er ihr um den Hals.
    "Mama… Mama, es gibt so vieles…"
    "Ich weiß, Schatz, ich weiß. Aber jetzt ist nicht die Zeit dafür."
    Als sie ihn sanft von sich weg drückte, öffnete er die Tränen gefüllten Augen.
    Erst jetzt bemerkte er den Kreis der hinter seiner Mutter

Weitere Kostenlose Bücher