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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
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öffnen. Als er gegen einen Zeitungsstapel stieß, stiebte Staub hoch. Er musste niesen, im Schein der Taschenlampe weitete sich die Staubwolke aus. Er ließ den Lampenschein durch den Staub wandern, bis er einen Stapel von drei Pappkisten entdeckte. Er öffnete die obere Kiste. Darin lagen Bücher, Hefte, lose Papiere, Zeitungsausrisse, bedeckt von einer Staubschicht. Er ekelte sich vor dem Schmutz und fluchte, dass er vergessen hatte, auch Handschuhe zu kaufen. Dann hob er die Kiste vom Stapel und untersuchte den zweiten Karton. Geschirr, zum Teil zerbrochen.
    »Was machen Sie denn?«, kreischte eine Frau.
    Stachelmann fuhr herum, die Taschenlampe hielt er ihr ins Gesicht. Eine alte Frau, weiße Haare, hageres Gesicht, die Nase fast gebogen wie ein Papageienschnabel. Sie blinzelte, geblendet von der Lampe.
    »Stadtwerke«, sagte er. »Notfall, Rohrbruch.« Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.
    »Hier ist aber kein Wasser.«
    »Behindern Sie nicht meine Arbeit!«, drohte Stachelmann in einem Ton, der offiziell und autoritär klang.
    »Man wird doch mal fragen dürfen«, schnappte die Frau. Sie drehte sich um, Stachelmann hörte, wie sie die Treppe hochstieg.
    Er wusste, sie würde jetzt die Stadtwerke anrufen. Es würde eine Weile dauern, bis sie sich durchgefragt hatte und schließlich erfuhr, dass es keinen Rohrbruch gebe in Oberflockenbach. Stachelmann machte sich an die dritte Kiste. Darin lagen Kleidungsstücke und Stoffreste. Sie rochen muffig. Fehlanzeige. Er schaute sich um. Da stand an der Wand zum Nachbarverschlag ein Tisch mit einer Decke darüber, die bis auf den Boden fiel. Er hob die Decke und entdeckte Metallkleiderbügel, Besteck und eine weitere Kiste, kleiner als die anderen, aus harter, dicker Pappe. Er zog sie hervor, schaute hinein und sah, dass er die richtige Kiste gefunden hatte. Flugblätter, ein paar alte linke Zeitschriften, Bücher, darunter Lenins gesammelte Werke in drei Bänden, der dritte Band des »Kapitals«, eine Broschurausgabe des »Kommunistischen Manifests«, ein schmaler Band mit dem Titel »Lotta Continua«. Da lag noch mehr im Staub, aber Stachelmann hatte nicht die Zeit, es zu sichten.
    In den Schmalseiten der Kiste waren Grifföffnungen eingelassen, an einer Seite musste er Lenins Werke wegdrücken, um die Finger durchstecken zu können. Die Kiste war nicht so schwer, wie er gefürchtet hatte. Er setzte sie vor dem Kellerverschlag auf den Boden, schloss die Tür, schraubte den Riegel wieder an und stieg die Treppe hoch. Er horchte, hörte aber nichts. Eilig verließ er das Haus. Einen Augenblick überlegte er, ob er den Werkzeugkasten holen sollte, wenn er die Kiste verstaut hatte im Auto, aber dann fand er, sie sei ein geringer Preis für seinen Fund. Als er gerade im Auto saß, hörte er das Alarmsignal der Polizei, dann raste auch schon ein Polizeiwagen an ihm vorbei.
    Stachelmann fuhr in Richtung Unterflockenbach und Weinheim, um der Polizei nicht zu begegnen. Kurz vor Weinheim hielt er am Straßenrand, zog den Blaumann aus und packte ihn zusammen mit dem Helm in den Kofferraum. Jetzt fühlte er sich einigermaßen sicher. Er wendete und fuhr den Weg zurück. Vor dem Haus, in dem Angelika Stolpe wohnte, stand der Polizeiwagen, sonst war nichts zu sehen. Stachelmann wollte schnell weg, bevor ihn die Frau aus dem Haus durch einen blöden Zufall wieder erkannte. In der »Rose« sah ihn die Frau mit dem schweren Dialekt erstaunt an. »So eilig«, sagte sie.
    Er antwortete nicht, bezahlte, räumte seine Sachen in die Reisetasche und verließ die Gaststätte. Als er in Großsachsen war, wich die Anspannung. Er tankte einmal, sonst machte er keine Pause auf der Fahrt nach Lübeck. Er kämpfte mit seiner Neugier, war hin und wieder versucht anzuhalten, um zu sehen, was noch in der Kiste verborgen war. Stachelmann bildete sich ein, den Schlüssel für alle Rätsel zu finden in der Kiste, dann aber war er sicher, dass sich darin nur Plunder befand. Erschöpft erreichte er endlich sein Ziel, parkte das Auto an der Trave und musste zweimal zwischen Auto und Wohnung hin- und herlaufen, zuerst trug er die Kiste.
    Dann hielt ihn nichts mehr zurück. Kurz entschlossen kippte er die Kiste aus im Wohnzimmer. Eine Staubwolke ließ ihn husten. Er riss das Fenster auf, dann das Fenster in der Küche, um Durchzug zu machen. Schließlich stellte er den Staubsauger auf die höchste Leistungsstufe und wedelte mit dem Saugrohr überall herum, wo er gegen das Licht Staubwolken entdeckte. Dann holte

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