Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
herausgefunden hatte, mehrfach fielen die Worte »tedesco« und »Detlef Köhler«. Als der Vater Stachelmann sah, zeigte er auf den Stuhl gegenüber, Eleonora setzte sich an die Schmalseite des Tisches. Der Vater begann, und Eleonora übersetzte.
»Luigi hat gesagt, irgendwann Ende der siebziger Jahre, wahrscheinlich 1979, aber das sei ja schon eine Weile her, da seien zwei Deutsche erschienen, hätten irgendwie einen Typen von Lotta Continua gefunden und erklärt, sie wollten mitmachen im Untergrund. Die Regionalleitung von Lotta Continua habe das erst abgelehnt, von Revolutionsabenteurern habe man die Nase voll.«
Stachelmann bewunderte ihr Deutsch.
»Einer der beiden hieß wohl Detlef ...«
»Und der andere«, unterbrach Stachelmann.
»Das weiß Luigi nicht mehr. Er ist inzwischen ein alter Mann, und mit Lotta Continua wollte er nichts mehr zu tun haben, ein paar Jahre, nachdem die in den Untergrund gegangen sind.«
Der Vater sagte etwas und betonte es, indem er mit der flachen Hand leise auf den Tisch schlug.
»Weiter. Die beiden Deutschen haben dann gedrängt und versucht, die Leitung umzustimmen. Sie haben sich auf einen Genossen in Mannheim berufen, den sie kennen gelernt hatten. Schließlich hat die Regionalleitung auf irgendwelchen Wegen in Mannheim nachgefragt und die beiden auf Probe aufgenommen, hier in Volterra. Sie haben sich eingeordnet, und die italienischen Genossen waren ganz zufrieden über die neuen Mitkämpfer. Sie fanden sie nur etwas fanatisch. Der Vater sagt: noch fanatischer als die anderen.« Sie grinste.
»Und wo ist Detlef heute?«, fragte Stachelmann. Er fragte sich: Wer war der andere? Reimund Zastrow, der infrage käme, war doch tot.
»In Riparbello. Die haben dort eine Bar.«
»Wo liegt Riparbello?«
»Richtung Cecina, nicht weit.«
»Begleiten Sie mich?«
Sie zögerte ein, zwei Sekunden, dann nickte sie.
»Darf ich auf Ihr Angebot zurückkommen, nach einem Hotelzimmer für mich zu telefonieren?«
»Das ist nicht nötig. Sie bleiben bei uns. Meine Eltern würden es als« – wieder zögerte sie – »unangemessen betrachten, wenn Sie gingen.«
»Danke, dann bleibe ich noch eine Nacht. Morgen Abend fliege ich zurück.«
Tonio erschien. Er war nicht mehr so blass, überhaupt lebhafter. Er hatte den Schock überwunden. Fast überschwänglich begrüßte er Stachelmann und erzählte etwas, das der nicht verstand.
»Er hat zusammen mit einem Freund das Motorrad geholt. Es seien nur ein paar Kratzer, und darüber ist er froh«, sagte Eleonora. Dann sprach sie mit ihren Eltern, und als sie ihm das Profil zeigte, erinnerte sie ihn wieder an Liz Taylor. Es ging hin und her, und Stachelmann bildete sich ein zu verstehen, es gehe um den Abend und die Fahrt nach Riparbello.
Dann war das Gespräch beendet, und die Mutter begann den Tisch zu decken. Erst jetzt roch Stachelmann den Duft von Kräutern und Knoblauch, der schon die ganze Zeit die Küche füllte. Es gab Spaghetti mit einem fruchtigen Tomatensugo, danach Schnitzel in einer Rotweinsoße und zum Abschluss Käse mit Brot. Stachelmann lobte das Essen, die Mutter freute sich, als Eleonora übersetzt hatte. Er wusste, dieses Mahl hatte die Mutter gekocht, weil er im Haus war. Er fand es übertrieben, nur weil er Tonio aufgelesen hatte, der nicht einmal richtig verletzt war.
Nach dem Essen gab es Kaffee, dann deutete Eleonora an, die Eltern würden einen Mittagsschlaf halten. Stachelmann begriff, dass auch Eleonora Ruhe brauchte, bevor sie wieder in die Agentur ging. Auch er legte sich hin. Erstaunlicherweise schlief er ein. Als er aufwachte, hörte er es rumoren von der Küche her. Er blieb noch eine Weile liegen, dann holte er das Tagebuch und die Fotos aus der Tasche und legte sie aufs Bett. Die Anspannung wuchs und hinderte ihn, sich zu konzentrieren. Wie sollte er es anfangen in der Bar? Fragen? Behaupten? Vorsichtig sein? Angreifen? Einen Vorwand nutzen? Er dachte über die Möglichkeiten nach, spielte sie durch, verwarf sie, entschied sich für eine, verwarf sie wieder, dann für eine andere und verwarf auch die. Es war ein Elend. Er betrachtete die Fotos, als könnte er in ihnen etwas Neues entdecken, etwas, das ihm half. Dann ergriff ihn Angst, immerhin wollte er einen entlarven, der an einem Mord beteiligt war. Und wer war der zweite Deutsche? Hatte Köhler einen Genossen mitgenommen, von dem Stachelmann noch nichts gehört hatte? Dieser neue Gesichtspunkt verwirrte ihn. Es war ihm nicht wohl bei der Sache. Was
Weitere Kostenlose Bücher