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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
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sein?
    Die Unruhe trieb ihn hinaus. Er lief zum Neckar, obwohl die Angst ihm sagte, er solle nachts im Hotel bleiben. Unterwegs drehte er sich mehrfach abrupt um, aber ein Verfolger war nicht zu sehen. Doch die Angst quälte ihn weiter. Er lief am Neckarufer entlang, an der Karl-Theodor-Brücke vorbei, bis er begriff, wohin ihn sein Weg führte. In die Hirschgasse. Schnaufend nahm er die Steigung, bis er vor dem Haus stand. Die Fenster waren erleuchtet. Er schaute sich um, sah niemanden, schlich zur Haustür und hielt das Ohr daran. Stimmen, laut. Dann Schweigen. Dann schrie jemand, eine Frauenstimme. Er hätte es ihr nicht zugetraut, sie war ihm so sanft erschienen. Seine Neugier wuchs. Er stieg in den Vorgarten, ging zur Ecke des Hauses und dann an der Seite entlang, weil er hoffte, ein offenes Fenster zu finden. In der Hocke bewegte er sich zum Ende der Wand, schaute um die Ecke zur Rückseite, die Stimmen wurden verständlich. Er duckte sich unter einem Fenster, bis er in die Nähe der Terrassentür kam. Die war angelehnt. Jetzt konnte er sie verstehen.
    »Ich halte das nicht mehr aus!«, schrie sie. »Du und deine ewigen Lügen.«
    Er antwortete nicht. Er sah an den Schatten, die auf die Terrasse fielen, dass einer der beiden aufgeregt hin und her lief. Wahrscheinlich sie, sie war außer sich, so, wie sie schrie.
    »Jetzt hör doch mal zu. Das ist lange her. Gewissermaßen verjährt ...«
    »Du bist hier nicht vor Gericht, sondern sprichst mit deiner Ehefrau, Herr Detmold. Hier verjährt nichts, und so was schon gar nicht.«
    Mord verjährt nicht, aber Beihilfe, dachte Stachelmann. Dann hat er also nicht geschossen, aber er war dabei, hat Lehmann zur Thingstätte gebracht, damit er dort getötet wurde. Vielleicht würde ein Gericht das nicht nur als Beihilfe betrachten, sondern als gemeinschaftlich begangenen Mord.
    »Können wir es nicht dabei belassen, dass es längst vorbei ist. Und wenn du willst: Ja, ich bereue es, ich bitte um Entschuldigung ...«
    »Darauf pfeife ich«, sagte sie. »Jetzt muss ich eine rauchen. Und wenn ich zurückkomme, will ich dich nicht mehr sehen.« Sie öffnete die Terrassentür.
    Stachelmann schlich schnell zur Straße zurück und eilte die Hirschgasse hinunter zum Neckar. Detmold würde wohl bald das Haus verlassen, und es war besser, er sah ihn nicht. Ein Taxi mit beleuchtetem Schild fuhr die Ziegelhäuser Landstraße in Richtung Neuenheim. Stachelmann winkte, das Taxi hielt. Als er einstieg, sah er ein dunkles BMW-Coupé aus der Hirschgasse kommen, Stachelmann glaubte, Detmold zu erkennen, der starrte geradeaus, trotzdem wendete Stachelmann schnell sein Gesicht ab.
    »Folgen Sie dem Wagen!«, sagte Stachelmann.
    »Toll«, sagte der Taxifahrer. »Aber Sie bezahlen für die Geschwindigkeitsübertretung. Und schneller als dreißig drüber fahre ich nicht, weil ich die Punkte kriege.« Es war ein junger Türke, der ausgezeichnet Deutsch sprach. Am Rückspiegel hing eine Fußballerfigur aus Plastik und eine Fenerbahce-Flagge. Der Fahrer gab Gas und fuhr mit einigem Abstand hinter Detmold her. Der bog in Neuenheim ab auf die Bundesstraße 3 in Richtung Weinheim, wo Stachelmann vor einiger Zeit einen Fluchthelfer besucht hatte. Stachelmann rechnete jeden Augenblick damit, dass Detmold irgendwohin abbog. In Handschuhsheim kam ihm die Idee, Detmold würde zur Thingstätte fahren. Er stellte sich vor, wie der BMW die serpentinenartigen Kurven hochraste und am Monument hielt, wie Detmold ausstieg, zum Tatort ging, ein paar Meter waren es nur, die Pistole ansetzte und sich erschoss. Aber der Arzt fuhr weiter in Richtung Dossenheim. Dort bog er nach dem OEG-Bahnhof rechts ab, hetzte die Straße hoch, die Steigung wurde steiler, kam an einem Platz vorbei und schien das Taxi hinter ihm immer noch nicht bemerkt zu haben. Der Taxifahrer sagte kein Wort, er konzentrierte sich, niemand sollte ihm nachsagen, er habe den spannendsten Auftrag seines Lebens verkorkst.
    Nach dem Ortsausgangsschild beschleunigte der BMW, aber er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht. Er will nicht auffallen. Keine Polizeikontrolle, als hätte er eine Leiche im Kofferraum. Dabei würde keine Polizeistreife den Mann verdächtig finden, allerdings, konnte sein, er hatte etwas getrunken.
    Sie fuhren rechts vorbei am Gasthaus »Goldener Hirsch«, steil hoch in eine Einbahnstraße in Richtung Odenwald. Hier oben wurden die Häuser feiner. Es begann zu regnen. Erst tröpfelte es auf die Windschutzscheibe,

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