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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
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durchsehen müssen. Er war zu aufgeregt, um konzentriert zu arbeiten.
    Als er vor dem kleinen Einfamilienhaus mit Ziergittern stand, spürte er die Anspannung im Magen. Er klingelte. Ein dicker, alter Mann mit wenigen, nach hinten gekämmten, strähnigen grauen Haaren und einer Lesebrille stand vor ihm. Der Bauch quoll über den Hosenbund. Hemd und Hose waren fleckig. Heruntergekommen, dachte Stachelmann, so sieht einer aus, der heruntergekommen ist.
    »Na, denn mal rein in die gute Stube«, sagte der Mann und schaute ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
    Stachelmann trat in eine muffige Diele, auf braunen Steinkacheln lag ein ausgeblichener und abgetretener Läufer. Der Mann zeigte auf eine Tür am Ende der Diele. »Gehen Sie schon mal vor«, sagte er. »Ich bringe den Kaffee.« Tatsächlich roch Stachelmann den Duft frischen Kaffees. Der wurde vom Muff überlagert, je näher er der Tür am Ende der Diele kam. Die führte ins Wohnzimmer mit einer speckigen Kunstledersitzgarnitur, auf dem Tisch ein voller Aschenbecher, darin qualmte eine Zigarettenkippe. Stachelmann drückte sie aus. Dann betrachtete er die Glasvitrine, in der einige alte Bücher standen. Ein Band Karl May, ein Buch mit Volksliedern, Billigromane.
    »Man kommt ja nicht zum Lesen«, sagte der Mann. »Und Kriminalromane schon gar nicht. Habe genug Mord und Totschlag erlebt, um es noch unterhaltsam zu finden.« Er war ins Zimmer gekommen, ohne dass Stachelmann etwas gehört hatte.
    Als sie sich gesetzt hatten, goss der Mann Kaffee in Tassen mit Schmutzrändern. Stachelmann ekelte sich, aber er wusste, er musste Wolf bei Laune halten, sonst wäre sein Besuch umsonst.
    »Thingstättenmord«, sagte Wolf. »Warum interessiert Sie das?«
    »Ich bin Historiker, sitze an einer Arbeit über die Studentenbewegung ...«
    »Die Radaubrüder.«
    »Genau. Die Radaubrüder. Ich habe die ja immer für verrückt gehalten«, log Stachelmann.
    »Nicht verrückt, gefährlich. Die wollten die Macht. Stellen Sie sich mal vor, die hätten sie bekommen. Dann hätten sie alle anständigen Deutschen ins Lager gesperrt oder einen Kopf kürzer gemacht. Ich habe nie verstanden, warum die Regierung nicht härter vorgegangen ist. Notstand ausrufen und drauf.«
    »Ging mir genauso.«
    Wolf guckte Stachelmann von der Seite an. Er fragte sich wohl, mit was für einem Vogel er es zu tun habe. »Und warum schreiben Sie gerade über die eine Arbeit?«
    »Damit es sich nicht wiederholt.« Blöder kann man nicht antworten.
    »Sie meinen tatsächlich, es wiederholt sich nicht, wenn Sie so eine Arbeit schreiben?«
    »Nein, nein. Aber ich werde demnächst in der so genannten Politikberatung arbeiten, und diese Arbeit ist meine Eintrittskarte. Meine These ist: Wenn die Politiker auf mich hören, gibt's kein zweites Achtundsechzig.«
    Wolf antwortete nicht, aber er schien den Unsinn zu schlucken. Da kannte er sich nicht aus. Doch Stachelmann hatte längst begriffen, der Kripobeamte im Ruhestand war schlau. Er musste aufpassen.
    »Ich habe über diesen Fall ein bisschen nachgedacht seit Ihrem Anruf. Der Mord liegt ja eine Weile zurück.«
    Jetzt fiel Stachelmann auf, der Mann sprach kurzatmig wie einer, der unter Asthma litt oder stark rauchte.
    »Sie haben die Täter nie gefasst.«
    Wolf nickte und grinste. »Aber wir wussten immer, wer es war.«
    »Wie bitte?«
    »Also, ich wusste es. Sie müssen den Kerlen nur in die Augen schauen, wenn Sie mit ihnen reden. Die haben etwas Verschlagenes, verstehen Sie. Das Ärgerliche an der Sache ist nur, mit so einer Gewissheit können Sie schlecht zum Staatsanwalt gehen. Nein, klare Sache, dieser Lehmann wurde von den eigenen Leuten ermordet. Mein Bedauern war übrigens gering, ich sage es ganz offen. Ein Irrer weniger. Das waren Staatsfeinde, und was die mit uns gemacht hätten, wenn ... Na ja, ich hab's ja schon gesagt.«
    »Aber Sie haben doch ermittelt?«
    »Was glauben Sie? Natürlich! Aber wir haben denen nichts nachweisen können. Wenn wir damals schon diese modernen Methoden gehabt hätten ...«
    »Wurden die Spuren denn nicht aufbewahrt, sodass die Polizei sie heute mit diesen Methoden untersuchen könnte?«
    »Lassen Sie mich mal überlegen. Wir haben Spuren von Reifen gefunden, von einem Käfer. Dann ein paar Schuhabdrücke. Die Hülse und das Projektil von einer Parabellum 08, neun Millimeter, natürlich nicht gemeldet, die ist bestimmt bis heute nicht aufgetaucht. Damit konnten wir nichts anfangen. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele von

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