Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
diesen Dingern aus dem Krieg bis heute im Umlauf sind. Ich habe keine Ahnung, wie viele VW-Käfer damals in Heidelberg herumfuhren, ich hatte auch einen. Eine Kleinigkeit, die Reifen zu wechseln und die verdächtigen Gummis wegzuschaffen. Schuhabdrücke, vergessen Sie's, die wären doch bescheuert gewesen, wenn sie die Schuhe nicht verbrannt oder sonst wie beseitigt hätten. Fingerabdrücke gab es keine. Und damit soll man nun was anfangen. Heute würden Sie Hautpartikel, Speichelreste und so weiter finden. Danach haben wir damals nicht gesucht, haben ja nicht geahnt, was die heute zusammenzaubern. Es war ein sauber geplanter Mord.«
»Aber Sie wissen, wer es war?«
»Sie müssten sich diese Typen nur mal anschauen, dann wüssten Sie es auch. Das sind die lieben Genossen von dem Lehmann gewesen, ob zwei oder drei, was weiß ich?«
»Und das Mordmotiv?«
»Na, der Lehmann hatte Kontakt zum Verfassungsschutz. Irgendwie haben die das spitzgekriegt. Galt als Verrat.«
»Hatte Lehmann Kontakt?«
Wolf überlegte eine Weile, dann sagte er: »Ist lange her, und Sie müssen ja nicht sagen, dass Sie es von mir haben.«
Stachelmann nickte.
»Der Verfassungsschutz hat versucht, den Lehmann als V-Mann zu gewinnen. Einer, er hieß Wieland, hat ihn angesprochen, zuerst unter einer Legende, um ihm auf den Zahn zu fühlen. Sie haben ihm gesagt, was für ein toller Typ er sei und was die sonst noch erzählen, um einen zu bauchpinseln. Er könne seiner Sache am besten dienen, wenn er mit den Behörden zusammenarbeite. Die fänden ja auch vieles mies, dann könne man doch Erfahrungen austauschen. So oder so ähnlich wird's gewesen sein.«
»Und hatten sie Erfolg?«
»Nein, die haben dem sogar Geld zugesteckt, für die Auslagen, und die meisten Studenten waren ja froh über jeden Pfennig. Aber bei dem hat es nichts gebracht.«
Dann haben sie ihn umsonst ermordet, dachte Stachelmann. Dieses Verbrechen geschah, weil die Typen Lehmann unterstellten, was sie sich wahrscheinlich selbst zutrauten. Das ist ja der tiefste Grund solcher Verdächtigungen gewesen in der Zeit der Lächerlichkeit und der Hysterie, dass man dem anderen zutraute, was man von sich selbst fürchtete. Dazu kam die Wichtigtuerei, die Idee, man könne die Geheimdienste des Klassenfeinds foppen, mit ihnen spielen, sie in eine Falle locken, sie aushorchen, ihre Arbeitsmethoden entlarven. Den Spieß umdrehen. So eine Art Wallraff sein. Und nebenbei das Geld abgreifen.
»Es kann also sein, jemand hat Lehmann mit einem Mann vom Verfassungsschutz gesehen und gefolgert, dass Lehmann ein Spitzel ist.«
»Ja.«
»Sie sind nicht so furchtbar traurig, dass Sie den Mord nicht aufgeklärt haben.«
Wolf schaute Stachelmann erst finster an, dann grinste er. »Ehrlich gesagt, damals habe ich mir vorgestellt, das könnte so weitergehen. Die Irren knallen sich gegenseitig ab. Ich fand die Vorstellung ganz amüsant. Was anderes gehört auch dazu: Damals war ja der Teufel los mit den Terroristen. Da sind diese Sympathisanten ganz offen durch die Hauptstraße gezogen und haben ›Freiheit für alle politischen Gefangenen‹ gefordert und den Staat angeklagt, der habe ein paar von diesen Terrorbrüdern auf dem Gewissen: Meinhof und Konsorten seien ermordet worden und hätten sich nicht selbst umgebracht. Ein paar Verrückte glauben das wahrscheinlich heute noch. Die Schlaumeier damals in der linken Journaille haben vom ›deutschen Herbst‹ gequatscht, als wäre es nicht darum gegangen, Desperados das Handwerk zu legen, und sei es durch eine Salve aus der MPi.«
Stachelmann widerstand dem Zwang aufzustehen und zu gehen. Dieser Mann stieß ihn ab, so mochte man sich einen jovialen Gestapobeamten vorstellen. Stachelmann war versucht ihn zu fragen, ob er früher bei der Gestapo gedient habe. Doch es hatte keinen Sinn, Wolf zu verärgern, vielleicht brauchte er ihn noch.
»Rainer Detmold, sagt Ihnen der Name etwas?«
Wolf bohrte sich mit dem kleinen Finger im Ohr und schnalzte etwas weg. »Ja, das war Nummer eins auf unserer Liste. Wir haben mit dem Herrn natürlich höflich gesprochen, aber der war eiskalt. Und er hatte jemanden, der ihm sein Alibi bestätigte.«
»Wer war das?«
Wolf überlegte, bohrte wieder im Ohr und schnalzte erneut. »Irgendein Mädchen, fragen Sie mich was anderes.«
»Kipper, Esau.«
»Wie könnte man diesen Namen vergessen? Ein genauso abgebrühter Hund wie Detmold. Die beiden waren Kumpane. Und das Lustigste ist, der gute Esau ist inzwischen
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