Schatten des Wolfes - Schatten des Wolfes - Cry Wolf (Alpha & Omega 1)
vollziehen.«
Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.
»Es ist wahrscheinlich besser so«, sagte er abrupt.
»Warum?« Sie hatte nicht gewusst, ob sie imstande war, ein Wort herauszubringen, aber als sie es schließlich tat, klang es für ihre Ohren nur neugierig und vermittelte nichts von der Panik, die sie bei seinen Worten ergriffen hatte.
Aber sie kam der unbeteiligten Neutralität, die er in seine Stimme gelegt hatte, nicht einmal nahe. »Es gibt einen besonders wichtigen Grund, wieso ich dich heute nicht mitnehmen wollte - du solltest mich nicht schon wieder töten sehen. Aber ich bin seit hundertfünfzig Jahren der Attentäter meines Vaters; ich nehme nicht an, dass sich das ändern wird. Es ist nur gerecht, wenn du mich deutlich siehst, wenn ich jage, bevor du dich entscheidest.«
Das Lenkrad knarrte, so fest hatte er es gepackt, aber seine Stimme war tödlich ruhig, beinahe distanziert. »Im Rudel meines Vaters gibt es einige Wölfe, die den Boden unter deinen Füßen anbeten würden. Wölfe, die keine Mörder sind.« Er holte kurz Luft und versuchte, sie beruhigend anzulächeln - aber es verfehlte seine Wirkung, er zeigte nur starke weiße Zähne. »Sie sind nicht alle psychotisch.«
Er versuchte, sie wieder wegzuschicken.
Sie sah seine Hände mit den weißen Knöcheln an - und plötzlich konnte sie wieder atmen. Ihr zu sagen, dass sie sich anderweitig umsehen konnte, ärgerte ihn, durchbrach diese unheimliche Ruhe, die er seit dem Frühstück an den
Tag gelegt hatte. Sie dachte an seine besitzergreifende Wut am Vorabend und spürte Selbstvertrauen, das ihr Herz beruhigte; er wollte sie haben - ganz gleich, wie dumm sie an diesem Morgen gewesen war. Damit konnte sie leben. Sie konnte nicht ewig verlegen darüber bleiben, wie sehr sie ihn für immer haben wollte, oder? Eine Woche oder zwei, und dann sollte sie darüber hinweg sein. Und in einem Jahr oder so würde sie die Intensität dessen, was sie für ihn empfand, nicht mehr so verängstigen.
Anna fühlte sich besser, und sie setzte sich wieder auf dem großen Sitz des Humvee zurecht, so dass sie ihn gut anschauen konnte. Was hatte Charles gesagt, bevor er ihr angeboten hatte, sie aufzugeben?
Dass er ein Mörder war.
»Mit Mördern kenne ich mich aus«, sagte sie. »Leos Rudel hatte Justin. Du erinnert dich an ihn, nicht wahr? Er war ein Mörder.« Sie versuchte einen Weg zu finden, um den Unterschied klarzumachen. »Du bist Gerechtigkeit.« Das war nicht das Richtige, es klang dumm.
»›Was Rose heißt...‹«, sagte er und wandte den Kopf von ihr ab.
Sie holte tief Luft, um zu sehen, ob ihre Nase ihr helfen konnte, zu deuten, was er empfand, aber sie konnte nur die beiden Fremden riechen, die ihnen ihre Kleidung geliehen hatten. Vielleicht wusste sie einfach nicht, wie sie mit der Nase arbeiten sollte - oder vielleicht konnte er sich besser im Zaum halten als die meisten.
Charles war ein vorsichtiger Mann. Vorsichtig dabei, was er sagt und vorsichtig mit den Leuten in seiner Umgebung. Eine Nacht in seinem Bett, und sie wusste das. Er sorgte sich. Sorgte sich um sie, um seinen Vater, sogar um Heathers Jack. Ihr Magen beruhigte sich, als sich die Andeutungen
und Taten zu einem zusammenhängenden Bild zusammenfügten. Wie schwer, dachte sie, musste es für einen Mann gewesen sein, der sich so um andere sorgte, das Töten zu lernen, ganz gleich, wie notwendig es war?
»Nein«, erklärte sie überzeugt. Rechts vor ihnen reckte sich eine Reihe spektakulärer Gipfel trotzig in den Himmel. Diese schneebedeckten Gipfel, ungefesselt von Bäumen oder anderer Vegetation, schimmerten so hell in der Sonne, dass sie ihre Augen trotz der getönten Scheiben blendeten und ihren Wolf ansprachen. Das hier war ein Ort, an dem ein Werwolf laufen konnte.
»Ein Mörder ist einfach nur ein Mörder«, sagte sie. »Du folgst Regeln und setzt sie gerecht um. Du solltest dich nicht dafür hassen, dass du diese Aufgabe gut ausführst.«
Ihre Einschätzung nach dem Debakel vom vorigen Abend überraschte Charles vollkommen. Er sah sie an, aber sie hatte die Augen geschlossen und war für ein Schläfchen tiefer in den Sitz gerutscht - seine Anna, die noch vor fünf Minuten Angst vor ihm gehabt hatte. Schlaf war nicht die übliche Reaktion von Leuten, wenn er ihnen sagte, dass er Menschen umbrachte.
Die Straße, der sie folgten, hatte mehr Reifenspuren als sonst um diese Jahreszeit - wahrscheinlich wegen der Such- und Rettungsmannschaften. Er hoffte, dass er
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