Schatten eines Gottes (German Edition)
verkauft Liebestränke und den praktischen Gebrauch gleich dazu, wie es scheint. Wohl hinter jenem dicht belaubten Holunder?«
»Ihr müsst es ja wissen«, entgegnete sie schnippisch, »habt wohl schon oft dahinter gelegen?« Sie richtete ächzend den Tisch wieder auf. »Helft mir lieber, die verstreuten Waren wieder aufzusammeln. Von denen lebe ich nämlich.«
Doch so weit ging Octaviens Ritterehre nicht, denn das hätte seine weißen Handschuhe beschmutzt. Gerade wollte er sich wieder auf sein Pferd schwingen, da kam Emanuel herbei.
»Was gebt Ihr Euch mit dieser Dirne ab, Octavien? Sehr Euch doch ihre roten Haare an. Sie ist eine Teufelsbuhle.«
Agnes steckte ihm die Zunge heraus. »Selber ein Teufelsdiener! Alle Kuttenträger sind welche.«
»Du bist ein schamloses Weib«, fuhr Octavien sie an. »Wie kannst du es wagen, meinen Begleiter zu beleidigen, nachdem ich dich vor diesem traurigen Strauchdieb beschützt habe, denn wahrlich«, dabei sah er Emanuel scharf an, »ein Strauchdieb war er.«
Agnes raffte die Tücher und Strohwische vom Boden auf und auch die heilkräftigen Steine, wobei manch ein Mauersplitter ebenfalls den Weg in ihr Körbchen fand.
»Ich habe mich bereits dafür bedankt, Hochwohlgeboren«, keuchte sie, als sie einen Armvoll beschmutzter Tücher auf die Tischplatte warf. Dabei war ihr durchaus klar, was für einen Anblick sie den beiden bot mit ihren geröteten Wangen, dem zerzausten Haar und dem offenstehenden Mieder, dessen Bänder sich gelöst hatten.
Octavien konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Der Mönch starrte sie an und schlug ein Kreuz. Beim Anblick ihres halb entblößten Busen war er rot geworden wie ein Herbstapfel. Das amüsierte sie.
Emanuel wandte sich mit einer Miene des Abscheus ab, als handele es sich bei der Frau um einen fliegenumschwärmten Kothaufen. Weil Octavien Agnes immer noch ansah, räusperte er sich lautstark. »Lasst doch diese liederliche Person, Herr Templer. Wir haben Wichtigeres zu tun.«
Octavien fühlte ein männliches Begehren, was ihn gleichzeitig abstieß. Wie ertappt wandte er sich hastig ab. Emanuel hatte recht. Weshalb hatte er sich überhaupt eingemischt? Was hatte er mit ihresgleichen zu schaffen? Ärgerlich packte er die Zügel seines Tieres fester und stapfte an ihr vorüber. Agnes knickste erneut, aber Octavien beachtete sie nicht.
»Die gehört an den Pranger«, schimpfte Emanuel, während sie ihren Weg fortsetzten. »Aber wir haben uns höheren Zielen verschrieben. Nur fort von dieser leibhaftigen Isebel.«
***
Agnes hockte hinter ihrem Stand, aber seit jenem ärgerlichen Vorfall mit dem Landsknecht und dem schmucken Ritter war sie nicht mehr wie sonst bei der Sache. Am liebsten hätte sie alles hingeworfen und wäre aus Mainz verschwunden. Ständig hatte sie Ärger mit den städtischen Bütteln, die meinten, sie habe ein zu freches Mundwerk für eine Frau, und mit jungen Burschen, die meinten, sie dürften sich gegenüber einer Frau wie ihr ein solches erlauben.
Heim zum Annenhof? Das war unmöglich. Sie seufzte und träumte von einem richtigen Mann. Dieser Spielmann – aber der war nur etwas zum Träumen. Letzten Endes war das gute Aussehen nicht viel wert, das hatte sie bitter erfahren müssen. Auch Kuno war ein schöner Mann gewesen. Von angenehmer Wesensart sollte er sein, stattlich natürlich und in der Lage, sie zu beschützen und zu versorgen. Ein hübsches Gesicht wäre allerdings nicht hinderlich.
Immer wieder musste sie an ihren Märchenprinzen denken, der sie vor dem Landsknecht gerettet hatte, der sich dann aber als hochnäsiger Wicht entpuppt hatte. Nun ja, wer mit einem Klosterbruder herumzog! Würde sie ihn jemals wiedersehen? Und wenn ja, was würde dann passieren?
Rein gar nichts,
schalt sie sich.
Dann fiel ihr ein, dass es so nicht bleiben musste. Schließlich verfügte sie über gewisse Fähigkeiten, genauer gesagt, sie wusste, wie man einen Liebeszauber bereitet. Wenn ihre natürliche Schönheit nicht ausreichte, musste sie dazu greifen. Dieser Ritter hatte sich gerüstet mit dem Panzer des Hochmuts und der Unnahbarkeit. Dagegen halfen nur die richtigen Beschwörungen, aber sie mussten in der Dämmerung stattfinden und an einem besonderen Ort, wo die Mittel wuchsen, die sie benötigte.
An diesem Tag schloss Agnes ihr Geschäft früher als sonst. Sie verstaute die Waren in ihrer Umhängetasche und huschte den schmalen Pfad entlang, der unterhalb der Mauer entlangführte und durch die Wiesen in den Wald
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