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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Aushängeschild, einer angerosteten Ritterrüstung mit einer fleckigen Tunika und einem zerbeulten Römerhelm, nahm Sinan Platz. Seine Laute hängte er respektlos dem Junker Rostig um und bestellte sich einen Eintopf mit Rindfleisch, dazu trank er einen Roten.
    Ein junger, redseliger Stutzer, der sich zu ihm an den Tisch setzte, kam ihm sehr ungelegen, denn Sinan wollte die Bilder der Stadt in Muße an sich vorüberziehen lassen. Mit halbem Ohr hörte er dem Geschwätz zu und nickte hin und wieder. In Gedanken jedoch befand er sich im alten Rom, das er sich ähnlich vorstellte wie Neubabylon in St. Marien, nur viel größer. Er sah den Meister dort als Nachfolger des Satanspapstes auf dem Heiligen Stuhl sitzen, geheiligt durch Mithras, bekleidet mit der vollkommenen Macht.
    »Worüber lächelt Ihr? War meine Geschichte so lustig?«
    Sinan blinzelte. Offenbar hatte sein Tischnachbar etwas Dramatisches erzählt, und er hatte unpassenderweise dazu gelacht. »Sie war ungewöhnlich, mein Freund, ich habe so etwas noch nie gehört, sehr tragisch, sehr tiefsinnig.«
    »Das kann man wohl sagen. Als der Hausherr mich verdächtigte, mit seiner Tochter …«
    Er wurde vom Wirt unterbrochen. Dieser fragte Sinan, ob er nicht aufspielen wolle, dafür sei das Essen umsonst. Sinan verspürte keine Lust dazu, aber ein Spielmann, der eine kostenlose Mahlzeit ablehnte, machte sich verdächtig. »Wenn ich einen Wunsch äußern darf, spielt etwas Lustiges«, fügte der Wirt hinzu.
    »Gewiss, danach ist mir just zumute«, gab Sinan den allzeit munteren und zu Scherzen aufgelegten Barden. »Ich habe eine Erbschaft gemacht, eine reiche Braut geheiratet und im Wald einen Sack mit Gold gefunden.«
    Der Wirt lachte, der Stutzer machte große Augen, vielleicht glaubte er es. Sinan nahm dem römischen Ritter die Laute ab und gab zu ihren Klängen etwas Frivoles zum Besten:
    Ich war einer Blonden gewogen,
die hat mich am Abend betrogen.
Mir wurde die Braune empfohlen,
die hat mir die Börse gestohlen.
Hab dann einer Schwarzen geglaubt,
die hat mir die Unschuld geraubt.
Die Rote nach manchem Gefecht
hat mich bis zur Ohnmacht geschwächt.
Wollt länger an Frauen nicht hangen
und bin in ein Kloster gegangen.
Die Mönche, gar fromme Gesellen,
verließen des Nachts ihre Zellen.
Sie kamen zu mir auf die Stube:
Ein blonder, ein schwarzer Bube.
Wir beteten Rosenkränze
und geißelten unsere – Schwächen.
    Das Gelächter war allgemein, und der Gesang zog, wie vom Wirt beabsichtigt, auch andere Gäste an.
    Ein schlanker Mann mittleren Alters mit langen grauen Locken und einem gestutzten Bart, der bereits von einigen Silberfäden durchzogen war, betrat jetzt den Vorplatz und sah sich um. Er hatte eine sonnengebräunte Haut und lebhafte graue Augen. Sein eleganter Reisemantel aus Barchent, die blanken rindsledernen Stiefel und das breite Schwert am Gürtel ließen sowohl an einen Kaufmann als auch an einen Ritter denken. Dabei bewegte er sich mit natürlicher Anmut und strahlte die Würde eines gelehrten Mannes aus.
    Sinans Augen weiteten sich plötzlich. »Kennt Ihr den Mann?«, fragte sein Nachbar neugierig.
    »Ein Raufbold, der immer Anlass für einen Streit sucht, um seine Fechtkunst zu beweisen«, murmelte Sinan. »Am besten, Ihr sucht schnellstens das Weite.«
    Das ließ sich der Stutzer nicht zweimal sagen. Mit einem vorsichtigen Seitenblick auf den streitsüchtigen Gast suchte er sich einen Platz am anderen Ende.
    Der Fremde erkannte Sinan, und ein strahlendes Lächeln erhellte seine Züge. Sinan legte die Laute nieder, erhob sich und lächelte entgegenkommend. »Im Namen des einzig wahren Gottes, sei gegrüßt, Rodnik.«
    Die beiden Männer umarmten sich. »Es ist eine Überraschung und Freude, dich zu sehen«, sagte Sinan.
    Rodnik schob ihn auf Armeslänge von sich und betrachtete ihn. »Du hast dir doch nicht etwa einen Bart wachsen lassen?« Er zupfte ein bisschen daran. »Ist der echt?«
    Sinan schob sofort seine Hand zur Seite. »Natürlich nicht«, flüsterte er.
    »Na, du wirst deine Gründe haben. Aber auch mit Bart siehst du prächtig aus, mein Junge. Das freie Leben hat dir offensichtlich gut getan. Komm! Du musst mir erzählen, was du erlebt hast. Was für Taten hat Ranush der Löwe vollbracht? Hat er edles Wild erlegt oder hat er nach Mäusen gescharrt?«
    Sinan grinste verlegen. »Setz dich doch erst einmal. Bist du hungrig?«
    »Nein danke. Ich habe bereits in der Kreuzritterklause zu Mittag gespeist. Aber einen Wein trinke

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