Schatten eines Gottes (German Edition)
Der Preis gebührt zweifellos uns.«
»Ja, es war ein Balanceakt. Und irgendwie sind wir jetzt beide Pergamente los geworden, allerdings sind sie plötzlich gar nicht mehr wichtig. Was haltet Ihr von dieser Mithrassache? Glaubt Ihr, sie wird erfolgreich sein?«
»Ich weiß nicht. Hegt Ihr nicht auch einen heimlichen Verdacht, dass der Abt uns beide mit dem schönen Schein nur einwickeln will? Er ist ein Ehrgeizling, und wenn es um die Erringung von Macht geht, ist niemand mehr vernünftig. Was ist er denn? Ein Abt. Ein berühmter Gelehrter, gewiss, und allseits geschätzt, aber eben ein Abt. So ein Mann möchte vielleicht Bischof oder Kardinal werden, vielleicht sogar den Heiligen Stuhl selbst besteigen.«
»Warum nicht, wenn er eine gute Sache verfolgt?«
»Eine gute Sache? Was hat Euch umgestimmt? Mithras? Nein, ich denke an das Nächstliegende: das Erlangen von Wissen und Macht.«
»Was nichts Tadelnswertes ist.«
»Das kommt auf die angewandten Mittel an. Hoffentlich wird da nicht der Teufel durch Beelzebub ausgetrieben. Mein Onkel Etienne hat mir einiges erzählt. Ja, wie es aussieht«, meinte Octavien achselzuckend, »soll Innozenz beseitigt werden.«
»Glaubt Ihr wirklich?«
»Auf alle Fälle will er an die Spitze. Aufrichtig, Mönch, ich würde ihm keine Träne nachweinen. Etienne meinte, viele Tempelritter seien auf Nathaniels Seite. Wenn das stimmt, dann beruhigt mich das. Wir warten erst einmal ab, was uns Rom bringt. Ihr müsst ja nicht alle Brücken zu Eurem alten Leben abbrechen, Nathaniel hat es auch nicht getan.«
Sinans sechster Auftrag
Sinan hatte die Burg Lichtenfels im Morgengrauen verlassen. Im fünften Umschlag hatten neben den Namen seiner zukünftigen Opfer auch mehrere Briefe an den Meister gelegen von einem gewissen Kilian, Majordomus auf Burg Lichtenfels. Ihnen hatte Sinan wichtige Informationen entnehmen können, die zum einen die Begründung zu seinem Auftrag lieferten, was der Meister sonst nicht für nötig gehalten hatte. Zum anderen boten sie Anregungen für die Ausführung der Taten selbst. Nun musste er den sechsten Umschlag öffnen. Dann bliebe ihm noch der siebte, der letzte Umschlag, den er nur auf strikte Anweisung des Meisters entsiegeln durfte.
Als er in der Ferne die Türme einer Stadt erblickte, fragte er einen Bauern, der auf einem zottigen Klepper vorüberritt, nach dem Namen dieser Stadt.
Der grinste und entblößte einige schadhafte Zähne. »Was Ihr da seht, ist unser schönes Trier. Nur immer lustig aufgespielt, da werden die Taler nur so in Eure Taschen springen.«
Diesmal hatte Sinan sein Aussehen mithilfe eines Oberlippen- und eines Spitzbärtchens etwas verändert. Seine Kappe war jetzt moosgrün. Ein Silberstück in der Hand der Torwache, und es wurden keine Fragen gestellt.
Von der alten Römerstadt Trier hatte Sinan schon gehört. Er hoffte, hier eine Ahnung von dem Wesen des eigentlichen Rom zu spüren, so als müsse ein antiker Hauch noch durch die Gassen wehen und die Patina auf den Ruinen zu ihm sprechen und ihm erzählen, dass hier einst Mithras verehrt wurde. Auch Mainz war von den Römern gegründet worden. Zweifellos hatte es damals in beiden Städten etliche Mithräen gegeben, auf denen jetzt christliche Kirchen standen. Der Trierer Dom machte da sicher keine Ausnahme. Waren doch auch die Peterskirche in Rom und der alte Kölner Dom über diesen Heiligtümern errichtet worden.
Die Konstantinsbasilika erhob sich noch mit majestätischer Wucht. Sie diente jetzt dem Trierer Erzbischof als Residenz. Sinan stand davor und murmelte: »Du wurdest von einem Römer errichtet, der seine stolze Vergangenheit wegen einer gewonnenen Schlacht verraten hat.«
Das Marstor, aus dem die Römer in die Schlacht zogen und das auch schwarzes Tor genannt wurde, beeindruckte immer noch durch seine kompakte Größe. Auch die alte Brücke über die Mosel mit ihren beiden Türmen war noch erhalten. Sinan genoss es, den Fluss auf ihr zu überqueren. Doch das ehemalige Amphitheater lag verödet da. Wo einst die Gladiatoren auf Leben und Tod kämpften, hatten fliegende Händler ihre Buden aufgeschlagen. Auch die gewaltigen Kaiserthermen waren nur noch Ruinen, aber immer noch imposant.
In das Gasthaus nebenan, das passenderweise den Namen ›Zu den Kaiserthermen‹ trug, kehrte er ein. Der Wirt hatte Tische auf den kleinen Vorplatz gestellt, an denen bereits einige Gäste saßen. Bratenduft drang aus einem offenen Fenster. Alles war einfach, aber sauber. Neben dem
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