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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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hinhalten könnte. Zeit gewinnen! Ihn in einen Disput verwickeln! Vielleicht kam zwischenzeitlich jemand an die Tür. Sinan selbst war es, der den Anstoß dazu gab. Offensichtlich genoss er die Situation und hatte es entgegen seiner anfänglichen Bemerkung nicht eilig. »Eigentlich ist es tragisch. So ein intelligenter und wissbegieriger Mann wie Ihr, der das Vertrauen des Meisters genießt, wie konntet Ihr bloß Mönch werden?«
    »Ist ein Mönch denn etwas Schlechtes?«, ging Emanuel verzweifelt auf diese rhetorische Frage ein. »Auch der Mithraskult kennt Mönche.«
    »Nur dem Namen nach. Wir nennen uns Brüder. Aber Eure Form des Mönchtums beleidigt den Schöpfer.«
    »Ihr behauptet allen Ernstes, ein Mönch zu sein, beleidige Gott?«
    Sinan zuckte die Achseln. »Kann es etwas Absurderes geben? Eure Mönche legen ein Gelübde ab, das sie zeit ihres Lebens von der Herrlichkeit Gottes entfernt, doch sie glauben, sie kämen ihm durch Fasten, Beten und Kasteien näher. Alles, was Gott dem Menschen geschenkt hat, werfen sie von sich, verleugnen die Herrlichkeit der Welt, ihre Schönheit, ihre Freuden. Sie glauben, wenn sie ihre Stundengebete sprechen, lauscht Gott ihnen gespannt und ruft ihnen sein Vivat zu. Wenn sie ständig in demselben Gewand herumlaufen, lobt Gott sie für ihre Bescheidenheit, als hätte dieser nicht in seiner Güte tausend Farben, Gerüche und Muster geschaffen, derer der Mensch sich bedienen soll.«
    Emanuel hatte atemlos zugehört. So war das. Sinan war es ein Bedürfnis, darüber zu reden. Er wollte, dass ihm jemand zuhörte, er wollte, dass es ein Christ war, dem er seine Verachtung und seinen Hass endlich entgegenschleudern konnte. Wenn das so war, dann musste er ihn am Reden halten. Wer Meinungen miteinander austauschte, kam sich näher, entwickelte ein Gespür für den anderen.
    »Ich teile doch Eure Meinung, Sinan. Nathaniel und Neubabylon haben mir die Augen geöffnet. Ich kann nichts dafür, dass ich Mönch geworden bin.«
    »Selbst wenn die Eltern einen ins Kloster schicken, man kann immer einen eigenen Weg gehen, auch wenn er schwer ist.«
    Emanuel atmete flach. Sinan hatte das Pergament nicht mehr erwähnt. Das Gespräch nahm eine andere Richtung, dabei musste es bleiben. »Nicht, wenn man nie etwas anderes kannte. Ich bin ein Jahr alt gewesen, da hat mich ein Bruder im Wald gefunden. Seit jenem Tage kannte ich nur die Klostermauern. Wärt Ihr an meiner Stelle gewesen, es wäre Euch nicht anders ergangen.«
    »Haben Eure Eltern Euch ausgesetzt? Seid Ihr ein Bastard?«
    »Nein. Ich bin während eines Unwetters aus einer Kutsche gefallen. Wer noch in dieser Kutsche war, wohin diese Kutsche unterwegs war, niemand konnte es mir sagen.«
    Jetzt wirkte Sinan angespannt. »Dieser Wald«, sagte er gedehnt, »wo befand sich dieser Wald? Wo geschah dieses Unglück?«
    »In der Grafschaft Unterwalden nahe dem Dörfchen Ebersbach.«
    »Ebersbach?« Plötzlich veränderten sich Sinans Gesichtszüge. Die raubtierartige Grausamkeit verschwand, sein hübsches, bronzefarbenes Gesicht wurde aschfahl. Die schwarzen Augen wirkten jetzt wie zwei Abgründe. »Ja, du bist dunkel«, flüsterte er, »du bist …« er beendete den Satz nicht, drehte sich plötzlich um und stürmte aus dem Zimmer.
    Emanuel starrte auf die zufallende Tür. Aber er fühlte sich nicht erlöst. Sinans Schatten war zurückgeblieben. Emanuel schlich zur Tür und lauschte. Er hörte ihn nicht zurückkommen. Unruhig lief er im Zimmer herum. Wie sollte er das Verhalten Sinans deuten? Er war selbst Sarazene. Wusste er, wem die Kutsche gehört hatte? Und wenn, hatte das seinen Sinn besänftigt oder noch größeren Hass hervorgerufen?
    Wenig später wurde die Tür wieder aufgerissen, Sinan stand breitbeinig auf der Schwelle, in der rechten Hand ein Gefäß. Seine Blicke saugten sich an Emanuel fest, als wolle er ihn verschlingen. Emanuel war wie gelähmt. Würde das Reptil ihn jetzt fressen? Fletschte es die Zähne, oder war das ein Lächeln?
    »Du bist mein Bruder Sarmad.«
    Ein Blitzstrahl hätte Emanuel nicht überraschender treffen können. Ihm wurde speiübel. Wie vom Himmel gefallen, stand seine Vergangenheit dort in der Tür und bleckte ihn an. Ihn, das vaterlose Teufelskind, die Sarazenenbrut. Im Stillen hatte er immer gehofft, die Behauptungen des Priors würden nicht wahr sein. Bevor er recht zur Besinnung kam, wurde er gefragt: »Hast du dem Christentum abgeschworen?«
    »Ja – ja«, stotterte Emanuel.
    »Dann küsse dieses

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