Schatten eines Gottes (German Edition)
passten besser zu einem armen Fahrenden, der auf der Straße lebte.
***
Cencius Savelli, der Kardinalbischof und Berater des Papstes, schlug mit einem kleinen Holzhammer auf ein erzenes Becken neben der Tür des päpstlichen Arbeitszimmers und trat ohne Aufforderung ein. »Heiliger Vater, Francesco della Faggiola, der päpstliche Vikar aus Lucca, ist zur erbetenen Audienz erschienen.«
Während sich Savelli zurückzog, betrat der Vikar das Zimmer, dessen Wände kostbare Wandteppiche und Bücherregale schmückten. Behutsam schloss er die Tür hinter sich und blieb ehrerbietig stehen. Der hagere, leicht gebeugte Papst, saß in einem bequemen Sessel mit hoher Lehne, die Hände in den Falten seiner weißen Soutane halb verborgen. Ein schlichtes Kreuz lag über dem Pallium, das seine Schultern bedeckte. Er machte einen kränklichen Eindruck, seine Haut war wächsern und gelblich. Der rötliche Puder auf seiner Haut, mit dem man wohl etwas Frische in seine Züge zaubern wollte, verstärkte nur diesen Eindruck. Dieser Zustand nahm seinem gefürchteten Blick die Schärfe, aber nicht die Wachsamkeit. Er streckte die Hand aus, der Vikar eilte auf sie zu und beugte sich über den Fischerring zum Kusse.
Innozenz, der Dritte seines Namens, war ein großer Papst, der Königen und Kaisern seinen Willen aufzwang und ganz für sein Ziel lebte, die zersplitterte Christenheit unter dem Szepter Roms zu vereinen. Ein Mann Gottes, der die Ketzer und Heiden bekehren und notfalls vernichten wollte, um der einzig wahren Religion zum Siege zu verhelfen.
Mit einer kurzen Handbewegung erlaubte er dem Besucher, auf einem samtbezogenen Sessel Platz zu nehmen. »Was führt Euch nach Rom, geliebter Bruder in Christo? Stiften die Kaiserlichen wieder einmal Unfrieden?«
Obgleich klein an Wuchs, so schien Innozenz doch sofort an Größe zu gewinnen, wenn er anfing zu sprechen. Er hatte einen scharfen Blick, strenge Züge und ein gebieterisches Auftreten, doch seine Stimme war mild.
Der Vikar, ein hagerer, hoch aufgeschossener Mensch mit grämlicher Miene und einem kümmerlichen Kinnbart, ordnete mit Bedacht die Falten seines Gewandes und ließ die neugierigen Blicke schweifen. Es war seine erste Audienz beim Heiligen Vater, und er war sich dessen bewusst, dass er sich hier im Machtzentrum der ihm bekannten Welt befand.
»Wie stets, Heiliger Vater, kämpfen sie nicht mit offenem Visier. Diesmal ist ihnen ein besonders tückischer Angriff auf die Kirche gelungen. Ein Mönch, der in gotteslästerlicher Weise die Massen aufgehetzt hat, wurde dort von den Stadtvätern wie ein Heiliger behandelt.«
»War die öffentliche Sicherheit bedroht?«
»Schlimmer. Der Mann rüttelt an den Fundamenten der Kirche.«
Innozenz’ Brauen hoben sich geringfügig, er schien die Bemerkung des Vikars für übertrieben zu halten. »Das wäre freilich entsetzlich und keineswegs hinnehmbar. Doch wie Uns bekannt ist, irren einige Hundert Wanderprediger durch das Land, die meisten von ihnen sind von einem tiefen Glauben beseelt. Andere eifern, wählen scharfe oder auch unbedachte Worte, man muss sie sanft ermahnen, aber sie sind harmlos. Seid Ihr sicher, dass es sich bei dem Mann in Lucca nicht um so eine verwirrte Seele gehandelt hat?«
»Ungern widerspreche ich Euch, Heiligkeit, aber dem ist keineswegs so. Der Mönch, offensichtlich ein Franziskaner, verwarf die Zehn Gebote des Moses und verkündete neue Gebote, die unser Herr Jesus angeblich während des letzten Abendmahls seinen Jüngern aufgetragen hat.«
»Das allerdings ist schlimme Ketzerei«, unterbrach Innozenz ihn. »Hat man denn den Erzbischof aus Ravenna nicht benachrichtigt, unseren guten Albertus?« Dabei war er diesem Manne alles andere als gut. Der Erzbischof und er hatten schon eine ganze Weile Streit, es ging um Gebietsansprüche, die Albertus nicht aufgeben wollte. Innozenz hoffte wohl, dem Rivalen diese leidige Angelegenheit zuschieben zu können.
»Der Mönch vertritt nicht nur ketzerische Ansichten, der Mann lästert Gott. Er hält sich selbst für den auferstandenen Christus, und die Menge betet ihn an, als sei er der Herr.«
»Blasphemie!«, stieß Innozenz empört hervor. »Unerträgliche Blasphemie! Was sagte der Erzbischof dazu? Oder ließ man den Dingen freien Lauf?«
»Nun«, wand sich der Vikar, »Ravenna ist weit und außerdem …«
»Nun sprecht schon!«
»Außerdem beschlossen die Stadtväter, ihn nicht zu benachrichtigen, weil man fürchtete, der Bischof werde den Mönch
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