Schatten eines Gottes (German Edition)
Regenwürmer und Schnecken, ja vor allem über Schnecken.«
Rückkehr nach Rom
Sie hatten die Außenbezirke Roms erreicht, von der Stadt selbst war noch nicht viel zu sehen. Villen, schäbige Mietshäuser, Gärten, Weinberge und brachliegende Felder wechselten sich ab. Sie durchquerten die neronischen Felder, dann ging es am Tiber entlang. Als sie sich Trastevere näherten, ließ Sinan die Diener mit der Kutsche in einem Gasthof am Wege zurück.
»Ich verlasse euch hier«, sagte Sinan. »Wo kann ich euch später finden?«
»Wir hörten, die Templer unterhalten eine Herberge ›Zum Heiligen Georg‹. Dort werden wir fürs Erste unterkommen.«
Emanuel wollte den Rest des Weges eigentlich auf einem Pferd zurücklegen, aber Bernardo als bescheidener Franziskaner bestand darauf, zu Fuß zu gehen. Ohnehin hatte er bereits in der Kutsche etwas von unpassendem Luxus gemurmelt. Die Ordensregel erlaubte nur Kranken, einen Wagen oder ein Pferd zu benutzen. Obwohl Emanuel inzwischen weltliche Kleidung trug, war er in den Augen Bernardos immer noch ein Zisterziensermönch, der aus irgendwelchen gewichtigen Gründen gezwungen war, sich zu tarnen. Deshalb verzichtete er standhaft auf sein Tier und tat es dem bescheidenen Bruder nach.
***
Sinans Blicke folgten den Männern, bis sie von der Hauptstraße rechts in eine Gasse einbogen. Er tauchte seine Hände in das kühle Wasser eines Brunnens, um die Hitze seiner Erregung zu dämpfen. Große Dinge bahnten sich an. Bemerkenswertes konnte er dem Meister berichten. Ihm gebührte der Heilige Stuhl. Das Papsttum ging seinem Ende zu. Und war die Herrschaft erst einmal errungen, dann würde der Meister ihn, Sinan, zum Nachfolger erwählen. War er erst einmal mit Mithras’ Insignien geschmückt, dann würde sich alles ändern, alles! Das muffige, rückständige Europa würde er zu einem strahlenden Mittelpunkt der Welt machen. Regieren würde er wie seinerzeit die Pharaonen oder die persischen Gottkönige. Das waren Herrscher gewesen, die diesen Namen verdienten. Ein Fingerschnippen, das Zucken einer Augenbraue genügten, und der Kopf eines Missliebigen fiel in den Staub. Sie besaßen wirkliche Macht, während Innozenz nur selbstherrliche Reden führte. Dieses göttliche Regiment würden alle bewundern. Der Adel, der einstige Klerus, die geistige Elite, sie alle würde er fördern, und sie würden ihn unterstützen und ihm huldigen. Der Rest der Menschheit – sie war nützlich, man brauchte sie. Man würde ihren Nutzen mit kleinen Gunsterweisungen, aber auch mit drakonischen Strafen mehren. So war die Welt beschaffen.
Sinan fragte einen jungen Burschen nach der Porta Tiburtina. »Über die Tiberbrücke bei der Kirche Santa Cecilia, dann immer nach Westen.«
Sinan warf ihm eine Silbermünze zu und machte sich auf den Weg nach Tibur, wo der Meister in der Villa Phöbus residierte.
***
Der Meister stand mitten im Raum. Seine intelligenten grauen Augen richteten sich prüfend auf ihn. Sinan konnte nirgendwo eine Sitzgelegenheit erblicken. Die Absicht des Meisters war klar: keine Bequemlichkeit, keine Vertraulichkeit. Sinan wollte auf ihn zugehen, um das Knie zu beugen und ihm die Hand zu küssen, doch der Meister machte eine abwehrende Geste. Sinan sollte Abstand wahren. Er fügte sich. Immer noch genügte ein Blick dieses schlicht gekleideten, zierlich gebauten Mannes, um ihn Gehorsam zu lehren. Er hielt seine Hände über dem Gürtel gefaltet. Die Ruhe, die er ausstrahlte, war wie ein kühler Schatten an einem heißen Tag.
»Willkommen in Rom, Sinan. Wie ich sehe, hast du die lange Reise gut überstanden. Ich hoffe, du bringst gute Nachricht.«
Ein kühler Empfang, schließlich hatten sie sich ein Jahr lang nicht gesehen. Aber Sinan schätzte die Zurückhaltung des Meisters, denn für überschwängliche Gefühle war in diesen Zeiten kein Platz. Sinan nahm die Schultern zurück und hielt den Blick gerade. Der Meister erwartete Respekt, aber er hasste Unterwürfigkeit.
»Hoffnungsvolle Nachrichten und Neuigkeiten. Ich darf mit dem Pergament beginnen. Der Mönch Emanuel und der Ritter Octavien haben die Wahrheit gesagt, es wurde ihnen gestohlen. Aber ich weiß, wer es besitzt. Ein Mönch des neuen Franziskanerordens, und er befindet sich in Rom.«
»Du hast es also nicht bei dir?«
»Es war mir noch nicht möglich, es an mich zu bringen.«
»Was für Schwierigkeiten sind das, die einen Mann wie dich aufhalten können?«
»Eben jene Männer, von denen ich sprach. Sie
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