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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Mit selbstbewussten Schritten ging er auf den Altar zu.
    Innozenz war wie alle Päpste ganz in das Weiß der Unschuld gekleidet. Auf dem hoch erhobenen Haupte saß eine hohe spitze Mütze, von der zwei Bänder herabhingen. Er trug die bodenlange, weiße Soutane mit dem weißen Zingulum, dessen herabfallendes Ende goldbestickt war, dazu flache Schuhe. Über seine Schultern gebreitet, die Mozetta, einen kurzen, weißen Umhang. Gesicht, Hände und Füße im Dunklen, leuchtete nur sein Gewand, dadurch wirkte er wie ein Geist, der über dem Erdboden schwebte. Sinan hörte ihn atmen, aber es hörte sich nicht furchtsam an, eher nach glückseliger Erregung. Sein Blick flog zur Tür, ob Innozenz jemand folgte. Nein. Offensichtlich hatte er darauf bestanden, allein gelassen zu werden.
    Sinan fasste den langen Dolch fester. Sein Herz klopfte ihm vor Erregung bis zum Hals. Sein Warten hatte sich gelohnt, diesmal würde ihm die Tat nicht misslingen.
Der Papst trägt ein Kettenhemd unter seinen Gewändern,
hörte er Nathaniel sagen,
er legt ihn nur zum Beten in der Kapelle ab.
Sinan fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Er wollte abwarten, bis Innozenz niederkniete und betete. Mitten in seinen heuchlerischen Worten sollte ihm das Eisen ins Herz fahren. Er schmeckte den Geschmack des Blutes schon auf der Zunge.
    Innozenz blieb vor dem Altar stehen. Er schaute hinauf. Hier gab es kein Kruzifix, nur ein einfaches Kreuz aus breiten Holzbalken. Er breitete die Arme aus und murmelte etwas, das Sinan nicht verstand. Dann rief er plötzlich: »Halleluja!«
    »Mit diesem Wort sollst du zur Hölle fahren!«, zischte Sinan. Nur wenige Schritte trennten ihn von seinem Opfer, das ihm den Rücken zuwandte. Mit zwei Sprüngen war er bei ihm und holte aus zum tödlichen Stoß. Niemand wusste, weshalb sich der Papst in diesem Augenblick umdrehte. Sinan stieß einen schrecklichen Schrei aus, doch zu spät, er konnte den Stoß nicht mehr aufhalten. Sein Dolch fuhr dem Papst bis zum Heft in die Brust.
    »Sinan?«, flüsterte er mit ersterbender Stimme, während ihm das Blut aus dem Mund quoll. Dann brachen seine Augen, und er sank zu Boden. Sinan wich entsetzt vor dem langsam umsinkenden Körper zurück. Sinan hatte seinen Meister ermordet.
    Sein Hirn war wie leer gefegt. Er starrte auf den Toten und hielt alles für einen Traum. Das hier konnte doch nicht wirklich geschehen sein. Nathaniel als Papst? Wo war Innozenz? Das war doch alles nur eine abwegige Komödie, die hier gespielt wurde. Hatte Innozenz ihm diesen Streich gespielt? Hatte er alles von Anfang an durchschaut und ihm eine Falle gestellt? Ihm, Nathaniel und der ganzen Bewegung? Hatte er Innozenz unterschätzt? Hatte dieser gottähnliche Fähigkeiten? Nein! Das war schlicht unmöglich. Aber was …? Sinan hörte draußen Schritte. Offensichtlich hatte sein Schrei die Wachposten herbeigelockt. Gehetzt sah er sich um. Was konnte er für seinen Meister noch tun? Nichts. Er musste fliehen. Nachdenken, das konnte er später. Mit abgewandtem Gesicht zog er seinem Meister den Dolch aus der Brust, dann schlüpfte er in die Sakristei und verließ sie durch die Hintertür. Sein erster Gedanke war, über die Mauer zu klettern, doch da fiel sein Blick auf einige dornige Hecken in einem vernachlässigten Winkel hinter der Kapelle. Vielleicht wäre es klüger, Zeuge des kommenden Geschehens zu werden. Rasch verbarg er sich in dem Gesträuch.
    Gleich darauf hörte er entsetzte Schreie, Befehle wurden gebrüllt. Sie hatten seinen Meister gefunden. Sinan hatte seinen letzten Auftrag gut erfüllt. Der Papst war tot.
    Er selbst war noch wie betäubt und vermochte das Knäuel seiner Gedanken nicht zu entwirren. Lag sein Meister tatsächlich in seinem Blut, niedergestreckt durch seinen Dolch? Aber weshalb hatte er das päpstliche Ornat getragen? Waren die anderen Kardinäle eingeweiht? Oder hatte der Meister sein eigenes Spiel getrieben?
    Sinan beobachtete jetzt, wie Mönche und Kardinäle ungeordnet und mit fliegenden Gewändern aus dem Kloster strömten. Sie drängten in die Kapelle. Die Mönche versammelten sich davor, einige hatten Kerzen mitgebracht. Sie verkrochen sich in ihre Kutten und flüsterten miteinander. Das brachte Sinan auf eine etwas verwegene Idee.
Nutze das Chaos!,
dachte er und mischte sich in seiner Benediktinerkluft unauffällig unter sie. Seine Kapuze hüllte das Gesicht in Schatten, die Nacht tat ihr Übriges. Er stellte keine Fragen, täuschte den Schweigsamen vor, fing

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