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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Schuld, seiner großen Schuld ins Angesicht zu blicken. De Castello hatte Verständnis für die Trauer des jungen Mannes.
    ***
    Zwei Tage hatte Sinan benötigt, um nach Tibur zurückzukehren. Vom Kardinal Castello hatte er sich ein Pferd besorgen lassen. Der schnelle Ritt hatte ihm gutgetan, er hatte ihm kaum Raum für bittere Gedanken gelassen. Je näher er der Villa des Meisters kam, desto leichter wurde ihm ums Herz. Nicholas! Wie sehnte er sich danach, den Jungen zu umarmen, das Gesicht in seinem blonden Haar zu vergraben, seinen Duft zu spüren und für ein paar Augenblicke oder gar ein paar Stunden oder Tage das schreckliche Ereignis bei Perugia zu vergessen. Nicholas’ Gegenwart würde ihm Trost bieten, die Reinheit seiner Gedanken die hämmernden Selbstvorwürfe mildern und seine natürliche Stärke, die er bei seinem Unternehmen bewiesen hatte, ihm wieder Hoffnung geben.
    »Kümmere dich gut um das Tier, es hat einen scharfen Ritt hinter sich«, rief er dem Stallknecht zu und eilte die Stufen zur Villa hinauf, vorbei an dem säulenbestandenen Portikus, dann quer durch die Halle. Die marmorne Treppe zur Linken nahm er mit weiten Sprüngen und stand vor – Giovanni, dem Sekretär. »Salve Giovanni, ich bin wieder da!«, rief ihm Sinan zu und wollte an ihm vorübereilen, denn Fragen jedweder Art konnte er jetzt nicht gebrauchen. Doch der Sekretär verstellte ihm den Weg. Seine Miene war bekümmert. »Ihr wollt sicher zu Nicholas? Er ist nicht mehr da.«
    Sinan erstarrte. »Was heißt das, nicht mehr da?«
    »Der junge Herr ist fortgegangen. Gleich am nächsten Tag nach Eurem Aufbruch ist er fort.«
    »Und wohin?«, schrie Sinan ihn an.
    Giovanni zuckte die Achseln. »Gesagt hat er nichts, aber er hat einen Brief hinterlassen. Er liegt in seinem Zimmer. Es tut mir sehr leid, ich wollte Euch nur …«
    Sinan stieß ihn so grob zur Seite, dass der Sekretär gegen die Wand taumelte. »Aus dem Weg!« Er rannte durch den Korridor, riss Nicholas’ Zimmer auf und sah auf einem kleinen runden Tisch eine Pergamentrolle liegen. Er riss das Pergament mit einer Hast an sich, als wollte man es ihm stehlen. Eine feine Schnur war darum gebunden. Nein, es war keine Schnur – es war – bei Mithras! Es war eine Strähne seines blonden Haares. Zärtlich löste Sinan sie, legte sie behutsam auf den Tisch und entrollte das Pergament. Und während er es las, bebten seine Hände:
»Sinan, mein Geliebter. Ich muss gehen, um mir über gewisse Dinge klar zu werden. Ich muss über uns nachdenken und herausfinden, ob der Weg an deiner Seite der Richtige war. Suche mich nicht. Ich liebe dich.«
    Sinan ließ sich wie erschlagen auf das Bett fallen, in dem sie so wundervolle Stunden verbracht hatten. Die Diener hatten es gerichtet und die Betttücher gewaschen. Nicholas’ Geruch hing nicht mehr in den Kissen, er war von diesem weihevollen Platz verschwunden. Sinans Finger tasteten zitternd zu der Haarsträhne, dem Einzigen, was ihm von Nicholas geblieben war. Immer wieder strichen seine Finger darüber hin, während er ins Leere starrte.
    Endlich erhob er sich. Ranush, der Löwe, fühlte sich wie ein gerissenes Schaf, schmerzgepeinigt und ausgeblutet. »Nein«, murmelte er, »du hast mich niemals geliebt, Nicholas. Denn sonst wärst du nicht gegangen. Ich hätte dich nie verlassen können, nie! Gestorben wäre ich für dich, doch du hinterlässt mir nur tiefste Bitternis.«
    Er verwahrte Brief und Haarsträhne sorgsam in einer Tasche am Gürtel und ging hinaus. Wie ein lebender Leichnam wandelte er durch das Haus. »Komm hervor, Nicholas, versteck dich nicht«, flüsterte er. »Ich weiß, dass du hier bist. Im Stall vielleicht oder wartest du auf der Steinbank am Oleander auf mich?« Er stieß ein verzweifeltes Lachen aus. »Hast du mich verlassen, weil ich verflucht bin? Holen mich nun meine Taten ein? Ich bin ohne Schuld, Nicholas, ohne Schuld. Ich bin dem Pfade des Meisters gefolgt, es war meine Bestimmung, so zu handeln.« Aber er wusste, dass er sich selbst belog.
    Als Sinan Stunden später wieder sein Pferd satteln ließ, trat Giovanni zögernd an ihn heran. »Ihr wollt schon wieder fort?«
    »Ja.«
    »Darf ich fragen, wann wir den Gebieter zurück erwarten dürfen?«
    »Nie mehr, er ist tot«, erwiderte Sinan schroff.
    Er kümmerte sich nicht um den fassungslosen Sekretär und preschte vom Hof, als seien die Furien hinter ihm her. Jetzt gab es nur einen Ort auf der Welt, wo er hingehörte: nach Neubabylon.

Octavien besucht

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