Schatten eines Gottes (German Edition)
sagen? Das ist – es ist eine Überraschung, nicht wahr?«
»Ich hoffe, eine Angenehme«, bemerkte Bernardo mit warmer Stimme.
Octavien war tatsächlich rot geworden wie ein Schulbub. Er wusste nicht, wohin er den verwirrten Blick lenken sollte. »Also –«, begann er zu stottern, »wenn ihr beide, ich meine, wenn ihr glücklich seid, dann will ich wirklich nichts dazu sagen.«
»Du kannst nichts dazu sagen, Templer, weil dein Orden selber dafür bekannt ist«, versetzte Emanuel.
»Das ist eine Verleumdung!«
»Und dass sie sich nie waschen, auch?«, grinste Emanuel.
Da musste Octavien lachen. »Ihr habt recht. Es geht mich wirklich nichts an. Aber ich hänge schon noch an meiner Agnes.«
»Bleib eine Weile hier«, riet ihm Bernardo. »Entspanne dich und richte deine Gedanken auf andere schöne Dinge. Dann kehrst du heim. Agnes wird dich dort erwarten. Wenn nicht auf deinem Gut, dann irgendwo in der Umgebung.«
Octavien bedankte sich für die Einladung. Ja, es würde ihm guttun, eine Weile unter Freunden zu sein und Männergespräche zu führen, statt sich mit Frauen herumzuärgern. Und was Agnes betraf, wollte er Bernardo vertrauen. Es blieb ihm auch nichts anderes übrig.
Sinan kehrt zurück aus Rom
Das friedliche Leben in Neubabylon wurde an diesem Augusttag jäh aus seiner Beschaulichkeit gerissen. Aus dem Jakobskloster bei Mainz war Yves de Monthelon erschienen, und er brachte eine furchtbare Kunde mit, die ihm mit einem Eilboten aus Rom zugestellt worden war. Ein neuer Papst war gewählt worden, aber es war nicht Nathaniel. Denn Nathaniel war tot. Ermordet worden. Die näheren Umstände waren nicht bekannt, gaben Rätsel auf. Monthelons Gewährsmann in Rom hatte auch nur Gerüchte gehört. Innozenz sei bei Perugia seiner Krankheit erlegen, und man habe dessen Camerlengo Savelli in aller Eile zum Papst gewählt, denn die politischen Verhältnisse ließen keine Verzögerung zu. Der neue Papst hatte den Namen Honorius gewählt, er war der Dritte dieses Namens. Weshalb der Meister, der den Papst als Kardinal begleitet hatte, umgebracht worden sei und von wem, das liege im Dunkeln. Sein Leichnam werde demnächst nach St. Marien überführt.
Der Meister des Lichtes tot! Diese Nachricht entsetzte alle und lähmte das Leben in Kloster und Stadt. Was sollte nun geschehen? War die Bewegung am Ende? Alle Hoffnungen hatten sich zerschlagen, die man in den Meister gesetzt hatte, zumal es ihm gelungen war, zum Kardinal ernannt zu werden.
Monthelon berief sofort eine Versammlung ein, an der alle höheren Mitglieder der Bewegung teilnahmen, nämlich alle, die einen Weihegrad erreicht hatten. Emanuel, Bernardo und Octavien wurden aufgrund ihrer Nähe zum Kartäuserabt ebenfalls zugelassen.
»Nein!«, begann Monthelon seine Rede. »Die Bewegung ist nicht tot, nur weil ein Mann gestorben ist. Ein unersetzlicher Mann, gewiss, aber die Bewegung hängt nicht von Personen ab, sondern wird von einem neuen Geist getragen, und dieser Geist wird lebendig bleiben in jedem von uns. Menschen sterben. Das ist der Lauf der Dinge. Kann die Bewegung sterben, weil Menschen sterben? Das wäre absurd, nicht wahr?«
Die Anwesenden murmelten zustimmend.
»Die Bewegung muss jedoch wieder einen Führer haben, einen neuen Meister des Lichts, denn ohne Leitung und ohne Strukturen siegt das Chaos. Wir sind alle erschüttert über den Tod unseres geliebten Meisters Nathaniel, aber gerade deshalb ist es wichtig, dass wir uns an die alte Ordnung halten. Ich schlage daher als erste Maßnahme vor, einen neuen Meister zu wählen, der dann die Weihen des siebten Grades erhält.«
Dieser Vorschlag wurde angenommen, und die Mehrheit stimmte für Monthelon. Er sollte der neue Meister des Lichtes werden. Monthelon nahm die Wahl an.
Bei Emanuel, Octavien und Bernardo hatte der Tod Nathaniels nicht die gleiche Erschütterung ausgelöst wie bei den anderen, eher waren sie überrascht und diskutierten, wer den Mord in Auftrag gegeben habe und was wohl die Gründe gewesen seien.
Alle drei vertraten die Ansicht, dass es um Machtspiele unter den Kardinälen gegangen sei. Der Meuchelmörder musste aus deren Reihen stammen. Was von dem neuen Papst zu erwarten war, wussten sie nicht. Schlimmer als Innozenz konnte er aber wohl kaum werden. Jedenfalls musste die Bewegung auch weiterhin im Untergrund operieren.
***
Vor Monthelon saß ein junger, schlanker Mann mit hageren Gesichtszügen und Augen, so schwarz und leer wie erloschene Kohle. Die
Weitere Kostenlose Bücher