Schatten eines Gottes (German Edition)
auch zur Bewegung, Bernardo? Du bist doch ein Mönch, wenn du auch nicht mehr wie einer aussiehst.«
»Man kann Mönch sein und trotzdem nicht blind sein für den Fortschritt«, erwiderte Bernardo sibyllinisch.
Balthasar war inzwischen auf leisen Sohlen an den Tisch getreten. »Möchtet Ihr auch von der köstlichen Brotsuppe, die uns Caspar zubereitet hat?«, wandte er sich an Octavien.
Dieser zog die Nase kraus. Noch nie in seinem Leben hatte er Brotsuppe gegessen. Das war etwas für die Landbevölkerung. »Was wird noch angeboten?«
»Sonst nichts.«
Emanuel kicherte. Octavien brummte etwas.
»Also die Brotsuppe«, sagte Balthasar und enteilte.
Nachdem sie serviert worden war, fragte Emanuel: »Bist du aus einem bestimmten Grund hier, oder trieb dich die Sehnsucht nach mir?«
Octavien kostete von der Suppe. Seine Miene klarte sich auf. »Köstlich, in der Tat. Wer hätte das gedacht?« Begierig nahm er noch ein paar Löffel voll zu sich, bevor er antwortete: »Deine Widerreden und deine Spitzen habe ich vermisst. Aber deshalb bin ich nicht hier. Ich – ich wusste einfach nicht wohin.«
»Hast du kein Zuhause mehr?« Natürlich dachte Emanuel sofort an Agnes, die mit Octavien nach Aachen gegangen war. Wollten die beiden nicht heiraten? Waren sie schon verheiratet? Aber er wollte nicht absichtlich die Sprache auf sie bringen.
Das tat Octavien für ihn. »Agnes ist fort, und ich suche sie.«
Emanuel räusperte sich. »Aber doch nicht hier?«
»Natürlich nicht. Ich weiß nicht, wo ich sie suchen soll, und deshalb dachte ich, ich mache einen kleinen Umweg über St. Marien.«
»Agnes?«, mischte sich Bernardo ein. Er hatte damals in Genua genug von der Frau erfahren, um zu erkennen, dass es sich um eben jene Agnes handelte, die ihm damals in höchster Verzweiflung das größte Geschenk gemacht hatte. »Ich glaube, ich habe sie gekannt. Ich verdanke ihr sehr viel.«
Octavien nickte. »Ich weiß. Agnes hat mir alles erzählt.«
»Weshalb ist sie denn fort?«, fragte Emanuel, nicht ohne eine leise Befriedigung, für die er sich sofort schämte.
Nun erzählte Octavien den ganzen Hergang. Von seiner starrsinnigen Mutter, dem toten Hartwig von Eibenau, der Agnes’ Vater war, und schließlich von dem Dokument, das er gottlob von Agnes’ Mutter erhalten hatte. »Nun wären alle Hindernisse beiseitegeräumt«, schloss er, »aber Agnes mit ihrem Hitzkopf konnte die Sache nicht abwarten. Wer weiß, wo sie nun herumirrt.«
»Um die brauchst du dich nicht zu sorgen«, stieß Emanuel etwas gallig hervor, »die findet immer ihren Weg.«
Bernardo warf ihm einen missbilligenden Blick zu und schüttelte den Kopf. Dann legte er Octavien seine Rechte auf den Arm. »Dieses Menschenkind steht unter Gottes Schutz. Fürchte nichts für sie. Und reibe dich nicht auf, indem du nach ihr suchst. Wenn sie wieder einen klaren Kopf hat, wird sie von allein zu dir zurückkehren, sie weiß schließlich, wo du wohnst.«
»Danke für den Trost, aber du kennst Agnes nicht. Ich meine, nicht so, wie ich sie kenne.«
Bernardo lächelte. »Sie liebt dich oder nicht?«
»Da bin ich mir eben nicht so sicher.«
»Oh, das solltest du aber. Du musst ihr vertrauen.«
»Sie ist einfach zu stolz. Sie kann meiner Mutter nicht verzeihen.«
»Aber Liebe überwindet jeden Stolz. Du wirst sehen, Octavien, dass ich recht behalte.«
Dieser seufzte. »Hoffentlich.« Dann sah er Emanuel an. »Und ich dachte, ich könnte dich noch einmal überreden, mit mir durch die Lande zu ziehen und nach Agnes zu suchen wie damals nach der Reliquie. Die haben wir auch gefunden.«
»Mit Monthelons Hilfe. Ich fürchte, der kann dir diesmal nicht helfen.«
»Hm, gib es doch zu, Emanuel, dass du dich über Agnes’ Verschwinden nicht allzu sehr grämst. Du trägst ihr doch diese Sache immer noch nach.«
Emanuel errötete. »Unsinn! Das war doch alles ein großer Irrtum damals. Ich will sagen, das spielt schon längst keine Rolle mehr, weil ich inzwischen weiß –« er zögerte und sah Bernardo fragend an. Der nickte. »Also –« Emanuel räusperte sich, »heute weiß ich, dass ich Männer liebe, und bevor du dich dazu äußerst …«
»Du liebst Männer?«, fuhr Octavien ihm dazwischen. »Das ist doch ein Scherz oder?« Er fing Bernardos Blick auf. »Ach so«, murmelte er. »So ist das. Ihr beide …?«
»Ja, wir lieben uns, und in Neubabylon ist das nichts, was irgendjemand aufregt. Hast du noch etwas dazu zu sagen?«
»Naja, ich – wie soll ich
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