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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Hülle. Kunos Augen waren in Ekstase geschlossen, sein Mund zuckte und sabberte. Dann gab er ein dumpfes Grunzen von sich. So musste es klingen, wenn Satan sich auf seinem Höllenthron erleichterte. Es folgte ein lustvolles Schnaufen. Jetzt! Sie stieß zu, zielte auf die Kehle, fühlte, wie ihr Messer in seinen Hals eindrang. Blindlings riss sie die Klinge quer hindurch. Sein Schrei ging über in ein ekelhaftes Röcheln und Blubbern, seine Augen öffneten sich ein letztes Mal, verwirrt und staunend, dann sackte sein Körper über ihr zusammen.
    Agnes hatte nicht die Kraft, ihn sofort von sich herunterzurollen. Zitternd blieb sie eine Weile unter ihm liegen, und das Blut aus seiner offenen Kehle sickerte in ihre Kleider. Was war das für ein Albtraum, in dem sie sich befand? Sie musste unbedingt aufwachen, diesen Traum ertrug sie nicht länger. Als sie die Augen öffnete, schrie sie wie ein verwundetes Tier. Mit aller Kraft rollte sie den toten Körper von sich, stützte sich Halt suchend an der Hüttenwand ab und stand schwankend auf. Ihre Beine zitterten wie dürres Schilf. Sie musste sich beruhigen, musste die Nerven behalten. Sich an der Wand entlang tastend, gelangte sie bis zur Tür. Dort hielt sie inne, klammerte sich an einen Balken und versuchte nachzudenken.
    Was war geschehen? Sie hatte ihren Geliebten getötet. Ihren Geliebten? Nein! Einen widerlichen Lumpenkerl! Sein Blut klebte überall an ihr, ebenso wie sein Sperma. Das war nicht zu ändern. Reue empfand sie nicht. Wer hätte Mitleid mit einem Unhold empfunden? Aber sich selbst konnte sie ihren Unverstand nicht verzeihen. Sie hatte immer geglaubt, einer Agnes vom Annenhof könne das nicht passieren, doch es war ihr passiert, und nun würde sie vielleicht ein Kind bekommen von diesem Scheusal. Aber das Scheusal war der Sohn des Landvogts. Irgendetwas Schreckliches würde man ihr antun, sie foltern, rädern oder aufhängen.
    Nein
, dachte sie.
Nur, wenn man mich erwischt.
Es war der erste klare Gedanke, den sie nach dem schrecklichen Erlebnis fassen konnte. Mit bebenden Fingern befestigte sie das Messer wieder an ihrer Hüfte. Dann stürzte sie sich in das Dickicht des Waldes, fegte peitschende Zweige zur Seite, kletterte über umgefallene Baumstämme und dicke Wurzeln und kämpfte sich durch dorniges Gestrüpp, den Blutgeruch in der Nase und in ihrem Kopf die Vorstellung, von dem toten Kuno verfolgt zu werden.
    Erschöpft, voller blutiger Kratzer und Schrammen erreichte sie den Mühlbach. Sie riss sich die Kleider vom Leib und warf sich in das eiskalte Wasser. Die Kälte tat ihr gut, ließ sie zur Besinnung kommen. Agnes zitterte, aber ihr Kopf war wieder klar.
    Das Blut in den Kleidern ließ sich nicht richtig auswaschen, es blieben Flecken zurück. Sie würde die Sachen später verbrennen müssen. Und sie musste die Dunkelheit abwarten, bis sie es wagen konnte, nach Hause zu gehen. Die Mutter würde schon einen Rat wissen, sie war nie darum verlegen.
    ***
    Die Tage zogen sich dahin zäh wie Leim. Tage, an denen das Unheil jederzeit hereinbrechen konnte und an denen doch nichts geschah. Johanna hatte Agnes in das Nachbardorf zu einer Freundin geschickt. Die Freundin hatte von Kunos schlechtem Ruf gehört und sich gern bereit erklärt zu helfen. Es war eine alte und gute Freundin, auf die Johanna sich verlassen konnte. Von dem Mord hatte sie ihr allerdings nichts erzählt.
    Agnes war dort nicht in Sicherheit. Aber erst einmal hatte Johanna eine Atempause gewonnen, in der sie nachdenken, planen und vielleicht auch handeln konnte. Als Agnes ihr am frühen Morgen entgegengewankt war und bleich wie der Tod alles gestanden hatte, war sie seltsam ruhig geblieben. Es hatte einen Mann in Agnes’ Leben gegeben! Das hatte Johanna geahnt. Dieser Mann war ihr Halbbruder Kuno von Eibenau gewesen. Das hatte Johanna nicht gewusst. Es war schrecklich, doch nun war er tot, und das war gut. Doch sonst war nichts gut. Die Zukunft war ein blutgetränkter Weg zum Schafott, wenn sie es nicht verhinderte. Aber was konnte sie tun? Wohin sollte Agnes fliehen? Die Hand der Mächtigen reichte weit.
    Das Grübeln brachte Johanna fast um den Verstand, zumal sie auch nach Tagen einer Lösung nicht nähergekommen war. Wohl hundertmal am Tag spähte sie die Landstraße hinunter, ob die Mannen des Grafen anmarschierten. Es war der zehnte Tag nach dem Mord. Schon hoffte Johanna, man habe den Leichnam überhaupt nicht gefunden, weil wilde Tiere ihn gefressen hatten. Sie war früh

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