Schatten eines Gottes (German Edition)
an. »Wusste er denn nicht …?«
»Nein. Ich wollte, ich konnte es ihm nicht sagen, dass Agnes unsere Tochter ist. Dazu fehlte mir einfach der Mut. Dabei hätte ich wissen müssen, dass Kuno meinen Befehl missachten würde.«
Johanna fühlte Zorn in sich aufsteigen. Zorn darüber, dass Hartwig von den beiden gewusst hatte und es ihm nicht möglich gewesen war, seinen Sohn zu zügeln. Nun war er tot, und wenn man es genau nahm, hatte er es selbst verschuldet.
»Unsere Knechte, die nach ihm gesucht haben, fanden ihn in einer abgelegenen Hütte mit durchschnittener Kehle. Das Gras ringsherum war platt gedrückt und zerwühlt wie von einem heftigen Liebeskampf.«
»Aber Agnes war nicht seine einzige Liebschaft, nicht wahr?«
»Nein. Jedoch seine Männer sagten aus, er habe den Abend vorher sturzbetrunken damit geprahlt, er werde sich am nächsten Tag die kleine Hexe vom Annenhof holen. Zureiten und zähmen wolle er sie wie ein junges Pferd. Das waren seine Worte.«
Kampfeslustig funkelte Johanna ihn an. »Dann hätte er sein Ende wohl auch verdient, oder nicht?«
»Schon möglich. Kuno war lüstern, brutal und selbstsüchtig. Aber ich kann einen Mord nicht ungesühnt lassen, schon gar nicht den an meinem Sohn.«
Johannas Züge wurden hart. Jetzt musste sie kämpfen. »Nein! Das kannst du wohl nicht. Aber suche den Mörder woanders. Dein Sohn mag vorgehabt haben, sich mit Agnes zu treffen, aber sie ist nicht hingegangen. Kann sie gar nicht, denn sie war nicht hier. Sie hilft schon seit Wochen bei ihrer kranken Tante aus.«
»Seit wann hast du eine Schwester?«
»Eine Schwester von Matthiessen.«
»Und wo?«
»In – Odenthal«, sagte Johanna schnell.
»So. Sie ist also in Odenthal. So wie dein Mann Matthiessen damals in Meckenheim Wein eingekauft hat und unterwegs von Räubern erschlagen wurde?«
Johanna wurde totenblass. Ihre Lippen begannen zu zittern. »Es ist – es ist geschmacklos, dass du das erwähnst. Heute noch, nach fünf Jahren.«
»Was denn? Ich habe dich gedeckt und tue es heute noch. Er war ein Dreckskerl, Johanna, und du hast getan, was du tun musstest.«
»Das mit Matthiessen, das war etwas anderes«, murmelte sie. »Jetzt geht es um mein Kind.«
»Um unser Kind.«
»Ja! Unser Kind! Wie kannst du wollen, dass sie des Mordes angeklagt wird? Man wird sie foltern und hinrichten.«
»Johanna!« Die Stimme des Vogts wurde scharf und ungeduldig. »Ich bin hier, um Agnes zu schützen. Um euch beide vor unbedachten Schritten zu warnen, die ihr vielleicht aus Angst tun würdet.«
»Zu schützen?«, wiederholte Johanna ungläubig.
»Ja. Ich werde dich und Agnes schützen, wie ich es schon einmal getan habe. Ich habe kein Glück mit meinem Jüngsten gehabt, war ihm vielleicht ein schlechter Vater. Aber es ist mein Sohn, der getötet wurde, und im Dorf geht der Name Agnes um, Agnes, die Mörderin. Ich muss Nachforschungen anstellen, Männer nach ihr aussenden, verstehst du?«
»Ja, ja«, stotterte Johanna. »Doch wie willst du sie schützen?«
»Agnes muss weg. Dorthin, wo die Macht des Grafen endet. Sie muss in ein Kloster. Ich kenne ein Chorfrauenstift der Augustinerinnen in der Grafschaft Abenberg. Sie nehmen nur adlige Fräulein auf. Aber ich habe einen Vetter in Nürnberg, er wird sie dort als seine Nichte ausgeben. Von mir wird sie eine entsprechende Mitgift erhalten, die ich ihr ohnehin schulde. Dort wird sie sicher sein.«
Es klopfte an der Tür, es war Lisa, die beim Pfannkuchenbacken helfen wollte und sich wunderte, weshalb Johanna die Tür verriegelt hatte.
Johanna hatte Lisa ganz vergessen. Außerdem war sie völlig durcheinander von dem, was Hartwig ihr gerade vorgeschlagen hatte. Sie wollte aufspringen, zögerte aber und sah Hartwig hilflos an. Der lächelte. »Ich glaube, es ist alles gesagt.«
Er erhob sich und schob den Riegel zurück.
Lisa betrat ungestüm die Küche. Das Schwein hatte sich losgerissen und war von Lisa erst im Gemüsebeet wieder eingefangen worden. Das Erlebnis wollte sie unbedingt loswerden, dabei rannte sie den Mann beinahe um, der da in der Küche stand. Sie stutzte, dann erkannte sie den Landvogt. Lisa wurde puterrot und fing an zu stottern. »Ehrwürden, Exzellenz ach herrje, was für eine Ehre. Bitte auch schön um Verzeihung, weil ich den gnädigen Herrn von Eibenau umjerannt habe. Und – das isses. Bin schon weg.«
»Halt, halt, schönes Kind! Bleib nur hier! Wolltest du nicht deiner Herrin in der Küche helfen? Ich wollte ohnehin gerade
Weitere Kostenlose Bücher