Schatten eines Gottes (German Edition)
Stadttore und wälzen sich durch Köln. Bettler, Diebe, Hungerleider, unnütze Esser. Und nun, Exzellenz, habt Ihr die einmalige Gelegenheit, diese Brühe abfließen zu lassen Richtung Süden, wo sie versickern wird.«
»Wer – wer seid Ihr?«, stotterte der Bischof. »Wer hat Euch geschickt?«
»Noch ein weiteres solltet Ihr bedenken, Exzellenz«, fuhr Emanuel unbeirrt fort. »Unser geliebter Vater in Rom bemüht sich seit längerer Zeit vergebens, einen neuen Kreuzzug auf die Beine zu stellen. Scharen von Wanderpredigern sendet er aus, doch ihre Worte fallen auf steinigen Boden. Wie nun, wenn Ihr, Exzellenz, der Christenheit bewieset, dass in Eurem Heiligen Köln sein Ruf nicht ungehört verhallt ist, dass Ihr bewerkstelligt habt, was dem Papst versagt geblieben ist: ein fünfter Kreuzzug?«
Dietrich von Hengebach starrte den Mönch lange und nachdenklich an. »Ihr seid kein Mönch«, stieß er endlich hervor. »Nicht wahr?«
»Ihr irrt Euch, ich habe die Gelübde abgelegt.«
»So spricht kein Knecht des Herrn.«
»Viele Knechte des Herrn lieben es, die Wahrheit zu verdunkeln. Ich spreche sie aus.«
»Die Wahrheit? Mir ist, als spräche der Teufel aus Euch.«
»Ja. Manchmal ist die Wahrheit so bitter, dass es den Anschein hat, sie käme geradeswegs aus der Hölle. Es sind schlimme Zeiten, die Christenheit gleicht einem kranken Patienten, dem die faulen Glieder entfernt werden müssen. Die Kinder sind zu einer Plage geworden, die das Gemeinwesen belasten. Mit Almosen werdet Ihr ihrer nicht mehr Herr. Ich sage nicht, vernichtet sie wie Ungeziefer. Ich sage, gebt ihnen ein goldenes Ziel, für das sie brennen, und überlasst es Gott dem Herrn, ob er sie geleiten oder vernichten will.«
»Das wäre …« Der Bischof suchte nach dem passenden Wort, das ihn entlastete, denn bestürzt stellte er fest, dass er die Ansichten des Mönches bedenkenswert fand. »Es wäre unchristlich, ja das wäre es!«
Emanuel lächelte. Die hinzugefügte Bestätigung bewies die Unsicherheit des Bischofs. »Im Gegenteil. Ihr würdet die Kirche um unzählige Glaubenszeugen bereichern. Jedes Kind, das auf dem Kreuzzug sein Leben verliert, wäre ein Märtyrer. Außerdem bin ich befugt, Euch über ein geheimes Treffen zu unterrichten, das im Kloster Altenberg stattgefunden hat, und über die dort erzielte Übereinkunft, wie den Missständen in Europa am besten abgeholfen werden könne. Es war eine erlauchte Versammlung, lauter gute Christen …«
»Ich bin darüber unterrichtet«, erwiderte der Bischof knapp. »Diese so geheime Veranstaltung ist von mir im Vorwege gebilligt worden. Ich wollte mich dem hehren Ziele der Orden, die Christenheit unter einer großen Idee zu einen, nicht verschließen. Auch ein Kinderkreuzzug wurde nebenbei erwähnt. Allerdings hatte diese Versammlung keinerlei Vollmachten, irgendwelche Beschlüsse umzusetzen.«
»Der Heilige Vater …«
»Der Heilige Vater distanziert sich von jedem Unternehmen, das der Kirche schaden könnte.«
»Natürlich. Aber die Kinder haben das Kreuz genommen, und er kann es ihnen nicht verwehren. Die Stimmung im Lande ist für sie. Ihr wisst das.«
»Was wolltet Ihr mir denn nun am Ende sagen?«
»Gebt dem Kinderkreuzzug Euren Segen und Euer bischöfliches Geleit in der Hoffnung, diese Rattenplage nie mehr wieder zu sehen. Das wird Euch und der Stadt zum Segen gereichen.«
Bischof von Hengebach streckte ihm brüsk die Hand mit dem Bischofsring entgegen. »Bruder Emanuel! Ihr seid ein zynischer, vorlauter, unerträglicher Mönch, der seinem Stand schadet. Dankt Gott, dass niemand außer mir Eure Worte gehört hat. Ihr dürft jetzt gehen.«
Emanuel beugte sich über den Ring. »Ich stehe Euch jederzeit zur Verfügung, Exzellenz.«
***
Die Besprechung in Altenberg hatte Früchte getragen. Die Klöster unterstützten mehrheitlich dieses Vorhaben. Ein gutes halbes Jahr hatten Emanuel und Bernardo gemeinsam mit Brüdern anderer Orden an der Ausarbeitung der Route gesessen, die zuerst über Mainz, Speyer und Freiburg, dann bis hinunter am Genfer See vorbei, über den Alpenpass Mont Cenis bis nach Genua führen sollte.
Der fromme und gutherzige Nicholas hatte sich bereitwillig vor den Karren spannen lassen und ging dermaßen in seiner neuen Rolle auf, als habe er in seinem Leben nie etwas anderes getan, als andere Kinder zu einem Kreuzzug aufzurufen. Zu einem Zug ins Verderben, wie Emanuel wusste. Doch was machte das schon? Die Kirche hatte sich schon immer vom Blut ihrer
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