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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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inständig, mich bei sich zu behalten, weil ich fürchtete, es könne sich alles wiederholen. Doch er sprach mir gut zu.
    Er sagte: ›Du bist noch so jung, Leila. Und das Leben ist lang. Schwer ist es für eine Frau, allein zu sein. Du könntest der Unzucht verfallen – und du weißt, was darauf steht.‹ Er sagte: ›Diesen Dschirdschis hat uns Allah geschickt. Er ist fremd hier, hat keinen Anhang, muss es sich zur Ehre anrechnen, mein Eidam zu werden. Und er ist kein schlechter Mensch, sonst hätte dein Bruder ihn nicht ins Herz geschlossen. Nimm ihn – es würde schwer sein, einen Besseren für dich zu finden‹
    Er sagte: ›Und außerdem – vielleicht bekommst du von ihm auch Kinder. Das hat es doch schon gegeben, dass zwei nicht zusammen passten und Allah, nachdem sie sich getrennt hatten, sowohl dem Mann als auch der Frau Kinder von andern Ehepartnern bescherte‹
    Als mir mein Vater dieses in Aussicht stellte, habe ich eingewilligt. Ach, du weißt nicht, wie oft ich unter der Rahle, die im Hof der großen Moschee steht, durchgekrochen bin. Aber mir hat auch das nicht geholfen.«
    Die Rahle im Hof der Großen Moschee! Der riesige Koranstein, auf dem das Heilige Buch während des Gottesdienstes zu liegen hat. Auf halbmannshohen Bogen steht sie, zwischen deren Wölbungen sich die Weiber durchzwängen, denen Kindersegen versagt ist, spiegelt ihnen doch ein alter Aberglaube vor, das hülfe gegen Unfruchtbarkeit. Ein trübseliges Schauspiel, wie sie sich durch die engen Höhlen quälen – oft habe ich es gesehen und hätte ihnen zurufen mögen: »Lasst ab, es ist vergeblich!« Aber auch das wäre ja vergeblich gewesen, denn der Ertrinkende greift nach jedem Strohhalm, und zwei Dinge gibt es, derentwegen Frauen bereit sind, selbst durch die Hölle zu gehen. Das ist, ein Kind zu kriegen und ein Kind nicht zu kriegen. Arme Bianca Orsini! Arme Leila!
    Ich sah sie schweigend an. Sie wurde rot. Es fiel ihr schwer, weiterzusprechen, aber nun musste wohl auch das Letzte noch gesagt sein.
    »Junus. Er ist so jung, so kräftig, ich dachte, wenn einer mir ein Kind schenken kann, so er. Und du ließest mich nachts so oft allein, und ich fürchtete schon, auch du werdest bald nichts mehr von mir wissen wollen, und er bat und bettelte, und er schwor mir, dass, wenn ich ein Kind bekäme, es sein solle wie deines, denn auch er wusste ja, wie es um mich steht – und dass er dann fortgehen und unsern Weg niemals mehr kreuzen, mich nicht mehr beunruhigen wolle. Da ließ ich ihn zu mir kommen. Aber auch das war umsonst. Ja, ich gestehe es, das geht nun mit Junus schon seit einem halben Jahr, doch wie du siehst, bin ich immer noch schlank wie zuvor.
    Darum wollte ich ja auch ein Ende machen. Flehte ihn an, von mir abzulassen. Und weißt du, womit er mir da gedroht hat? Er wolle sich meinem Vater stellen. Gestehen, was wir getan haben. Um mit mir zusammen zu sterben. Wie elend und bange mir da zumute war!
    Heute Abend befiel es mich wie eine Ahnung. Aber umsonst bat ich dich, zu Hause zu bleiben.
    Nein, Dschirdschis, wenn du mich freigibst, weißt du nicht, was du mir antust. Nie würde ich diesen Knaben heiraten, niemals! Denn hieße das nicht, mich mit sehenden Augen in mein Unglück zu stürzen? Hieße das nicht, das alte Elend von neuem heraufzubeschwören?
    Verzeih mir, ich bitte dich um Allahs willen – er ist barmherzig, sei du es auch. Lass mich bei dir bleiben! Ich werde hinnehmen, was immer du über mich beschließt. Wenn du eine zweite Frau nimmst, werde ich ihr dienen, ihre Kinder auf meinem Schoß wiegen, ihre Schelte ohne Gegenrede ertragen. Und wenn du mich schlägst – ich entbinde dich deines Versprechens –, werde ich nicht schreien und nicht meinen Vater um Hilfe gegen dich angehn. Nur verstoße mich nicht aus deinem Hause!«
    »Ach, Leila, du weißt nicht, was heute hier geschehen ist. Nein, du weißt es nicht. Der Richter, von dem ich dir erzählte, hatte gesagt: ›Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie‹ – nun, ich hatte den Stock da schon in der Hand, als mir diese Worte gegenwärtig wurden. Und er entfiel mir, weil auch ich ... Ja, auch ich bin ein Ehebrecher. Ich habe im Christenland eine Frau und einen Sohn und habe sie verlassen. Meine Ehe mit dir hätte ich gar nicht schließen dürfen – sie war ein Ehebruch. Du bittest, ich solle dir verzeihen. Aber nicht verzeihen muss ich dir, sondern danken. Durch das, was du tatest, ist mir meine Schuld so deutlich vor die Seele

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