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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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Hemd bekleideten Körper fiel. Jeder Mann an meiner Stelle hätte seiner Wut, der unerträglichen Spannung in seiner Brust Luft gemacht, und auch ich, ich gestehe es, hatte einen Stock schon in der Hand. Von wo, weiß ich selber nicht.
    »Ja!« schrie sie, als sie mich so auf sich zukommen sah, »schlag mich! Töte mich, wenn du willst! Nur geh nicht zu meinem Vater! Tu dem alten Mann das nicht an!« Ich verstand nicht gleich, fasste sie an der Schulter, zerrte sie hoch, dass sie mir in die Augen sehen musste. »Fürchtest du dich vor ihm mehr als vor mir?«
    »Er müsste mich doch verurteilen. Müsste mich steinigen lassen. Und er ... würde es tun! Würde es nie verwinden, dass dieses in seinem eigenen Hause geschah.« Das war es. Das Gesetz des Moses. Das Gesetz des Muhammad.
    Da plötzlich wuchs vor mir – zwischen ihr und mir – eine Gestalt aus dem Boden. Und schrieb mit dem Finger in den Sand. Und der Stock entfiel meinen Händen.
    »Leila«, sagte ich, und es war mir, als ob gar nicht ich selber spräche, »es hat einmal einen Richter gegeben, vor den schleppten sie ein Weib und sagten: ›Diese haben wir ergriffen auf frischer Tat im Ehebruch, und unser Gesetz befiehlt, dass sie gesteinigt werde. Was sagst du, dass wir tun sollen?‹ Und er antwortete: ›Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.‹«
    »Haben sie geworfen?« Die Frage kam fast lautlos von ihren Lippen.
    »Keiner. Und als sie davongegangen waren, sagte der Richter zur Ehebrecherin: ›So verurteile ich dich auch nicht. Gehe hin und sündige nicht mehr.‹« »Und wer war der Richter?« »Isa Ben Maryam.«
    Da richteten sich ihre Augen wie erstarrt auf mich. »Bist du ein Christ, Dschirdschis?«
    Auf diese Frage konnte ich zu jener Stunde nicht mit Ja antworten und nicht mit Nein. Denn beider Antworten hätte ich mich geschämt. Und so sagte ich, der Wahrheit gemäß: »Ich wollte, ich wäre einer.« Und als sie eine abwehrende Handbewegung machte: »Ja, Leila, das wollte ich.« Dann sagte ich: »Jetzt bin ich in deiner Hand, Leila. Wie du in der meinen. Denn wenn ich deinem Vater sage, was hier geschehen ist, muss er dich zum Tode verurteilen, und wenn du ihm sagst, was ich dir anvertraut habe, muss er mich zum Tode verurteilen. Du kannst also beruhigt sein.« Sie erwiderte nichts.
    Da sagte ich: »Ich werde fortziehen in ein anderes Land und dich bei deinem Vater lassen. Es wird kein Schatten auf dich fallen. Ich werde ihm erklären, dass ich den Drang verspüre, auf die Wallfahrt zu gehn: Kein Moslem kann dagegen etwas einwenden. Dann werde ich sagen: ›Und wenn ich nach Jahr und Tag nicht wiederkehre, erteile ich dir das Recht, deine Tochter von mir zu scheiden und sie einem andern Mann zur Frau zu geben.‹ Dann kannst du dich deinem Bruder anvertrauen, und der wird dir den Junus zurückbringen. So könnt ihr in Ehren beisammen sein.« »Nein«, schrie sie, »niemals!«
    »Nun verstehe ich dich nicht.«
    »Dschirdschis, du weißt nicht, was wir dir verschwiegen haben. Meine erste Ehe ist zerbrochen, weil ich keine Kinder gebar. Als sich herausstellte, dass ich unfruchtbar war, holte sich mein Mann eine zweite Frau, die ihm zwar schon nach neun Monaten einen Sohn schenkte und auch aus gutem Hause war, aber nicht eben gescheit und auch nicht sehr schön. Vom ersten Augenblick an verfolgte sie mich mit Hass und Eifersucht und machte mir schließlich das Leben zur Hölle. Da bat ich ihn, mich von sich gehen zu lassen. Dadurch fühlte er sich in seinem Stolz und seiner Eitelkeit tief verletzt. Er hatte mich vordem schon manches Mal unsaft behandelt, nun aber zerrte er mich in eine abgelegene Kammer, riss mir die Kleider vom Leibe und schlug mich mit einem Lederriemen, bis ihm die Hand erlahmte. Dann ging er hinaus, sperrte mich ein und überließ mich meinen Schmerzen, meinen Tränen und meiner ohnmächtigen Wut.
    Nach einigen Stunden kam er zurück. Ich wandte mich von ihm ab, aber er fasste mich an der Schulter, drehte mich herum, und als er mein tränenüberströmtes Gesicht sah, sagte er: ›Ich weiß, dass du schön bist, aber wie schön du bist, wenn du weinst, wusste ich nicht!‹ zog mich an sich, und ich konnte mich seiner nicht erwehren.
    Er blieb die ganze Nacht bei mir, so hart unser Lager auch war, und am Morgen verlangte er: ›Schwöre mir, dass du mich niemals verlässt! Sag, dass Allah dich strafen soll mit ewigem Feuer, wenn du noch einmal den Gedanken fasst, von mir zu gehn. Dann verzeihe ich dir,

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