Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
und alles soll zwischen uns wieder gut sein wie zuvor.‹
Wenn er gesagt hätte ›Verzeih mir‹ – vielleicht hätte ich ihm gehorchen können. Doch dass er, nach dem, was er mir angetan hatte, mir seine Verzeihung anbot, empörte mich so, dass ich kein Wort erwidern konnte. Als ich stumm blieb, sagte er: ›Gut – ich gebe dir Bedenkzeit bis heute Abend.‹ Und verließ mich, nicht ohne die Tür hinter sich zu verschließen. Am Abend bettelte er: ›Leila, ich kann ohne dich nicht leben. Wenn du mir schwörst, dass du bei mir bleiben willst, verstoße ich die andere und gebe ihr Kind auf deinen Schoß!‹ Ja, das hätte er tun können, das Recht dazu hätte er gehabt. Und ich hatte bei Allah keine Veranlassung, die andere zu schonen. Aber ›So geht er um mit seinen Frauen! Gestern mit dir, heute mit ihr, morgen wieder mit dir!‹ schoss es mir durch den Kopf. Ich verlegte mich aufs Bitten.
›Grausam ist es, einer Mutter das Kind wegzunehmen. Und wenn wir nebeneinander keinen Platz haben in deinem Hause, so muss die Kinderlose es räumen. Lass mich gehen, ich bitte dich. Die Morgengabe schenke ich dir.‹ ›Ha‹, schrie er, ›du denkst, du kannst dich mit Geld loskaufen! Willst dir wohl einen andern Mann suchen! Hast vielleicht den Kerl schon gefunden!‹
Der Riemen sprang aus seinem Ärmel, wo er ihn verborgen hatte, als er zu mir kam. Und als ich unter seinen Schlägen schrie – noch härter waren sie als die vom vergangenen Tage –, rief er: ›Das wollte ich von dir hören!‹ und stürzte sich über mich. Da wusste ich, dass ich es mit einem Med-schnun zu tun hatte, einem, der vor Liebe und Eifersucht wahnsinnig war.
Und konnte mich nicht vor ihm retten. Nicht nur, dass er mich eingesperrt hielt, niemanden zu mir ließ als die alte Magd, die mir das Essen brachte und mich bediente, er hatte ja auch das Gesetz für sich. Denn im Koran steht: ›Die rechtschaffenen Frauen sind gehorsam ihren Ehegatten. Diejenigen aber, deren Widerspenstigkeit ihr erfahrt – warnet sie und schlaget sie!‹ Das sprach er mir jedes Mal vor, ehe er fragte: ›Willst du nun endlich schwören?‹ Und den Lederriemen versteckte er nicht mehr.« »Und das hast du ausgehalten?« fragte ich erschüttert. »Hast nicht geschworen?«
»Oh, wie oft war ich nahe dran. Wie oft, wenn ich seine Schritte hörte und mein Herz anfing zu flattern, dachte ich: Jetzt tue ich, was er verlangt. Aber wenn ich dann in sein Gesicht sah und diesen verhassten grausam-gierigen Ausdruck darin erblickte – wusste, dass ich mich ihm für mein ganzes Leben ausliefern würde, wenn ich schwor (und konnte ich sicher sein, dass er mich nachher nicht mehr quälte, wo er doch dem Dämon der Wollust und Grausamkeit verfallen war?), biss ich mir auf die Zunge und ließ alles über mich ergehen.«
Wie ihr die Worte von den Lippen flössen! Glich sie nicht jener Scheherezade, die ihren Gatten durch die Kunst des Erzählens daran hinderte, sie zu töten, bis sie ihn endlich für immer gewann?
»Und wie bist du dann schließlich doch freigekommen, Leila?« fragte ich, und das Mitleid mit ihr erstickte die letzten Regungen meines Zornes. (Wenn es das gewesen war, was sie bezweckte, hatte sie ihr Ziel erreicht.) »Das verdanke ich der andern Frau. Denn die vernachlässigte er nun ganz und gar. Und als sie merkte, dass sein Sinnen und Trachten nur noch auf mich gerichtet war, dass ihm meine Pein eine größere Lust bereitete als ihre Zärtlichkeit, verschaffte sie sich einen Schlüssel zu meinem Gefängnis und kam zu mir.
Ich zeigte ihr die Striemen, die mir um Schultern und Rücken liefen, sagte: ›Das hast du angerichtet!‹ Da weinte sie und rief: ›Fluche mir nicht, Leila – das habe ich nicht gewollt.‹
›Wenn du mir von hier forthilfst, werde ich dir nicht fluchen‹, entgegnete ich, ›aber das wird dich nicht davor bewahren, dass es dir eines Tages ähnlich geht wie mir.‹ Da ließ sie mich entkommen.
Ob sich meine Prophezeiung erfüllt hat, ob die Fehlgeburt, die sich wenige Wochen nach meiner Flucht aus unseres Gatten Hause bei ihr einstellte, die Folge einer Misshandlung war, weiß ich nicht. Doch ist es ihr ebenfalls gelungen, von ihm freizukommen – denn an dieser Fehlgeburt ist sie gestorben.
Ich aber wandte mich an den Kasi von Herat, der ein Freund von meinem Vater ist, und den beiden gelang es dann auch, meine Scheidung durchzusetzen. Ach, Dschirdschis, als mein Vater mir sagte, dass er mich mit dir verheiraten wolle, bat ich ihn
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