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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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weißt du denn nicht, dass sie von hier nach Basel gehn, wo der Kaiser dem Konzil vorstehen wird? Und du wolltest doch nicht in ein Land reisen, dessen Sprache du nicht verstehst.«
    »Oh, Pietro, das macht mir nun nichts mehr aus. Ich bin ja im Kreise von Leuten, die keine Stummen sind.«
    Er blickte mich verständnislos an. Da erklärte ich ihm:
    »Der Ungar nennt den Deutschen ›Német‹, aber ›néma‹ heißt ›stumm‹. Und ist nicht derjenige stumm, mit dem du nicht sprechen kannst?«
    Wir zogen über Urbino und Ferrara nach Tirol und kamen gefährlich nahe an Padua vorbei. Zwei Jahre waren seit meinem Abschied von Giulietta ins Land gegangen, ich hatte die Hoffnung aufgeben müssen, sie zur Frau zu gewinnen, so wollte ich sie auch nicht wiedersehn. Studenten von Padua begegneten uns genug auf den Straßen und in den Herbergen Norditaliens, denn es waren Ferien, und ab und zu sah ich sogar ein bekanntes Gesicht, doch hütete ich mich davor, mich in Gespräche mit ihnen einzulassen. Nein, ich wollte mich nicht zu erkennen geben, wollte auch nicht wissen, ob und wann und an wen Doktor Giovanni seine schöne Nichte verheiratet hatte. Und in meinem verschnürten Rock und inmitten des fremden Kriegsvolkes konnte niemand in mir einen Scholaren, einen homo literatus, einen ehemaligen Kommilitonen vermuten.
    Die Passstraße über die Alpen war steil und gefährlich. Mir stürzte mein Falbe und brach sich ein Bein, sodass er getötet wurde und ich zu Fuß weitergehen musste. Drum war ich sehr froh, als wir den Bodensee erreichten und es hieß, dass wir zu Schiff Weiterreisen wollten, weil auch der Kaiser der Strapazen des Rittes müde war.
    Von Rom nach Basel! Welch ein Unterschied bestand zwischen den beiden Städten! Dort die Ruinen und weite, unbebaute Flächen, zwischen denen sich die Menschen beinahe verloren – hier die Häuser zusammengedrängt, in Gassen und Gässchen, sodass selbst für Höfe dazwischen kaum Raum blieb, geschweige denn für Gärten und Schafweiden. Dort menschenleere breite Straßen – hier ein Gedränge von Volk wie auf einem Jahrmarkt. Dort trübes Tiberwassers, das in Zisternen erst tagelang lagern musste, bis sich sein berüchtigter Kalk abgesetzt hatte und man es trinken konnte, – hier Brunnen und Brünnlein an allen Ecken und Enden, die ihr helles Gebirgswasser verströmen, ließen, das ungenutzt zum Rhein abfloss, sofern es die Frauen und Mägde nicht in Krügen und Butten in ihre Häuser schleppten. Dort die Streittürme, hinter denen sich die verfeindeten Geschlechter verschanzten – hier freundliche Patrizier- und Bürgerhäuser, in denen sich friedlich wohnen ließ. So waren auch die Konzilsväter sicher in dieser gastfreundlichen Stadt, die zurzeit fast mehr Fremde in ihren Mauern barg als Einheimische.
    Ich hatte es natürlich nicht ganz leicht, mich zu verständigen. Mit meinem Ungarisch und Italienisch kam ich nicht weit, und das Lateinische half mir bei Einkäufen auf dem Markt oder bei Auseinandersetzungen mit meiner Hauswirtin wenig. Zum Glück jedoch war der Hausherr ein Apotheker, der dolmetschend eingreifen konnte und mit dem ich auch manches Stündchen in Gesprächen verbrachte.
    Meist aber war ich auf die Unterhaltung mit meinen ungarischen Reitern angewiesen, und obgleich ich kein eigenes Pferd mehr besaß, war ich in ihren Ställen öfters anzutreffen als in meiner Bodenkammer.
    Wie durchzuckte es mich, als ich eines Tages ein türkisches Wort auffing!
    Ich stand auf der Straße, über einen Brunnen gebeugt, dessen Wasser ich mir aus der hohlen Hand in den Mund laufen ließ, als sich zwei Männer hinter mich stellten, offenbar um abzuwarten, bis ich getrunken hätte. Ich hörte sie miteinander sprechen und wandte mich so jäh um, das mir das Wasser von den Händen auf die Kleider spritzte. Und grüßte sie mit einem türkischen Gruß.
    Da fielen sie mir um den Hals. »Bruder!« sagten sie, »dich schickt uns Allah!«
    Sie gehörten einer Botschaft an, die der Sultan an den Herrn des Abendlandes gesandt hatte. Wieder einmal waren die Türken in Ungarn eingefallen, doch war ihnen kein Erfolg bei diesem Streifzug beschieden gewesen, und nun schickte Murad Geschenke an den Kaiser, um ihn versöhnlich zu stimmen.
    Doch auf der langen Reise von Adrianopel nach Basel war ihr Dolmetscher erkrankt und zurückgeblieben, und nun hatten sie Verständigungsschwierigkeiten. Zwar gab es in Basel einen spanischen Kleriker, Johannes von Segovia, der Arabisch verstand, doch die

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