Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
meiner Umgebung, mir sagte: »Die schöne Bianca Orsini ist gestorben.«
Die Römer sind so stolz auf ihre schönen Frauen, und diese war eine der allerschönsten, sodass die ganze Stadt Anteil an ihrem Tode nahm. Anteil auch darum, weil sie einem so edlen Geschlecht angehörte und so jung schon sterben musste: Sie war erst achtzehn Jahre alt. Und auch dem Vater galt das Mitleid, der sein einziges und letztes Kind verlor – seine beiden Söhne und die Frau hatte er bereits begraben.
Das alles berichtete mir Antonio getreulich, war er doch so wortgewandt und ließ er so gerne seiner flinken Zunge freien Lauf. Ich könnte nicht sagen, dass mich sein Bericht kalt gelassen hätte, nur, wie sehr er auch mich betraf, ahnte ich nicht.
Wenige Tage später allerdings wusste ich es. Lucas Gentili, den ich aufsuchte, um mich nach dem Fortgang meiner Angelegenheit zu erkundigen, gab mir abschlägigen Bescheid.
»Abgelehnt«, sagte er und hielt mir meine Eingabe hin.
Ich war so niedergeschmettert, dass ich nicht einmal die Hand ausstrecken konnte, um das Aktenstück an mich zu nehmen. Der Advokat sah mich prüfend an und sagte: »Ich kann es mir nicht erklären. Messer Orsini hatte mir fest versprochen, sich für dich zu verwenden. Ist doch der Camerlengo sein Schwager, bei dem er schon schwierigere Sachen durchgesetzt hat als deine, der ja kein Gegenantrag entgegensteht. Mit dem Tod seiner Tochter und der Niedergeschlagenheit, die ihn erfasst hat, kann es ebenfalls nicht zusammenhängen. Denn der Bescheid wurde mir zwar erst gestern zugestellt, ist aber schon zwei Wochen früher datiert. Und dennoch bin ich sicher, dass Messer Orsini dahintersteht. Kein anderer als er wusste ja von dieser Sache außer den Kurialen – und die pflegen nicht die Aktenstücke so schnell aus ihren Schubladen zu holen, wenn nicht ein Mann von Einfluss ihnen Beine macht.«
Ich dankte meinem Advokaten, der offenbar alles, was in seiner Macht stand, getan hatte und auch kein weiteres Geld von mir annehmen wollte, für sein Bemühen, verriet ihm hingegen meine Vermutung nicht. Die vertraute ich nur meinem Freund Pietro an.
»Und sie wird stimmen«, sagte er. »Munkelt man doch, dass bei dem Tode der armen Bianca nicht alles seine Richtigkeit gehabt haben soll. Wenn es aber so ist, wie wir jetzt annehmen, würde ich dir raten, Rom so bald wie möglich zu verlassen. Kannst du wissen, ob dieser verbitterte, als rachsüchtig bekannte Edelmann es bei dem einen Vergeltungsschlag gegen dich bewenden lässt?«
Oh, wie recht er hatte! Und doch – wohin sollte ich mich wenden, wenn hier meines Bleibens nicht mehr war?
Ein Gedanke zuckte mir durchs Hirn, so grässlich, dass ich vor mir selbst zurückschauderte. Mario Petruzzi! (Jetzt wusste ich auch, an wen mich die Stimme des Unheimlichen erinnert hatte.) Er wäre bereit, für mich in die tiefste Hölle zu steigen. Er würde sich nicht weigern, den eigenen Vater zu ermorden. Ein Glück, dass ich nicht wusste, wo er zu finden war. Hatte er doch, um mich nicht weiter zu gefährden, mein Haus ohne Abschiedsnachricht verlassen.
Pietro las mir die Ratlosigkeit vom Gesicht ab. »Du könntest nach Köln gehn«, sagte er, »und dich dort an meinen Bruder wenden. Er ist ein guter Mensch, er würde dir sicherlich behilflich sein. Nur dürftest du ihm nicht sagen, dass du von mir kommst. Er hat mich verflucht.
Sie halten mich ja für einen Abtrünnigen, für einen Verräter. Sie wissen es nicht besser! Sie können nicht sehen, dass Jesus von Nazareth einer der Unsern war, einer vom Blut und vom Geist unserer Propheten, und dass wir uns ihn haben entreißen lassen durch eigene Schuld.
Nun sagen die Christen, die Juden hätten ihn gekreuzigt. Aber waren es nicht römische Kriegsknechte, die die Nägel eingeschlagen haben?
Ach, Giorgi, lass mich wissen, wie es ihnen geht: dem Isaak Ben Manasse – aber auch dem David und dem Ephraim Ben Simon, meinen Söhnen, die mit ihm gegangen sind.«
Ich blickte betreten zu Boden. Was hatte sich abgespielt in dieses Mannes Leben, was für Niederlagen hatte er erlitten und was für Siege erfochten, dass er nun dastehn und das mit ruhiger Stimme sagen konnte? Erriet er meine Gedanken? Oder sprach er zu sich selbst:
»Wer ist mein Vater, wer ist meine Mutter, wer sind meine Geschwister …?«
»Pietro«, sagte ich, »verzeihst du mir, wenn ich nicht nach Köln gehe? Schau, ich mag nicht wieder in ein Land ziehn, dessen Sprache ich nicht verstehe. Sieben Sprachen habe ich nun
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