Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
schon gelernt – das ist für einen Menschen genug. Aber wenn du ein Schiff weißt, dass nach Konstantinopel fährt oder nach Trapezunt – Griechisch verstehe ich zwar auch nicht, aber von dort nach Georgien ist es nicht mehr weit.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dort den Sohn der Nino Kolobaschwili fragen würde, ob er Papiere habe, die ihn ausweisen könnten als einen in christlicher Ehe Gezeugten.« »Und warum kannst du dir das nicht vorstellen?«
»Zuviel Unglück ist dort geschehen. Zu viele Menschen wurden verschleppt, zu viele Häuser verbrannt, zu viele Urkunden vernichtet.«
»Ich verstehe dich, Giorgio. Der Geprüfte sucht den Geprüften. Der Angefochtene den Angefochtenen. Der Entwurzelte den Entwurzelten. Wir sind eine Familie. Und wir finden uns überall.
Ich habe Verbindung mit Genua. Von dort gehen immer wieder Schiffe nach Trapezunt. Ich werde mich erkundigen und dir Bescheid sagen.«
Das war mir sehr recht. Von Venedig wäre ich nicht gerne abgereist. Es lag mir zu nahe an Padua.
Es kam aber nicht dazu. Denn wenige Tage später trat ein Ereignis ein, das wiederum mein Leben umwarf. Sigismund, König der Ungarn, Böhmen und Deutschen, traf in Rom ein, um sich zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation krönen zu lassen.
An der Spitze von 600 Reitern und 800 Mann Fußvolk hielt er seinen Einzug in der Ewigen Stadt. Antonio, der es sich nicht nehmen ließ, überall dabei zu sein, berichtete stolz:
»Der König saß so aufrecht auf seinem Schimmel wie ein Jüngling. Und dabei hat er schon ganz graue Haare! Sie fallen ihm bis auf die Schultern. Er hat mir zugelächelt, als er vorbei ritt. Ich dachte gar nicht, dass ein deutscher Herr so schön und freundlich sein kann.« Und ein paar Stunden später: »wisst Ihr schon, was der König dem Papst gesagt haben soll? ›Drei Dinge sind es, worin wir uns unterscheiden, Heiliger Vater: Du schläfst in den Tag hinein, ich erhebe mich bei Morgengrauen. Du trinkst Wasser, ich Wein. Du fliehst schöne Frauen, ich suche sie. Aber es gibt auch Dinge, in denen wir übereinstimmen: Du teilst die Schätze der Kirche reichlich aus, und mir bleibt auch niemals etwas übrig von den Einkünften meines Reiches. Du hast kranke Hände und ich kranke Füße.‹ Ist das nicht schön von einem so hohen Herrn, derart zu scherzen? Und noch dazu über sein eigenes Leiden! Ich sah ja, wie er hinkte, als er vom Pferde gestiegen war. Er hat das Zipperlein, sagt man.«
Ich selbst habe ihn während seines Aufenthaltes in Rom nur von Weitem zu Gesicht bekommen, denn während seiner Krönung war ein solches Gedränge auf den Straßen, dass es einem Menschen wie mir nicht gelang, auch nur in die Nähe von Sankt Peters Dom vorzudringen. Und es klang mir auch sehr unwahrscheinlich, was Antonio berichtete: Man habe dem Kaiser die Krone erst schief auf den Kopf gesetzt, und der Papst habe sie mit seinem Fuß zurechtgerückt. Doch versicherten mir auch andere, dass das bei einer Kaiserkrönung der Brauch sei.
In Sigismunds Begleitung befanden sich auch Abteilungen seiner ungarischen Reiter. So hörte man damals in Rom manches ungarische Wort. Und wenn meine Ohren eines davon auffingen, konnte ich nicht umhin, mich zu den Sprechenden zu gesellen, deren Gesichter sich jedes Mal aufhellten, wenn sie mich als Landsmann in der Fremde begrüßten. »Wie, du bist einer der Unsern? Was machst du hier in dieser schrecklichen Stadt? Wundarzt bist du? Geradeso einen brauchen wir! Unser Imre-Bäcsi ist in Siena gestorben. Verfluchtes Italien! Seuchen und Fieber, wohin man sieht.«
Wundarzt im Heere des Königs, der nun Kaiser geworden war? Warum eigentlich nicht? Ich holte meinen ungarischen Rock aus der Kiste, abgetragen war er noch nicht, nur hatte er vom langen Lagern gelitten und war mir auch an den Ärmeln etwas zu kurz geworden. Aber meine Kameraden riefen begeistert ihr »Éljen!«, als ich mich ihnen so präsentierte, hoben mich auf die Schultern, ließen die Humpen mit diesem Asti spumante kreisen, der so ins Blut geht, sangen ihre ungarischen Lieder und wunderten sich nur darüber, dass ich nicht mitsingen konnte. Doch das lernte ich schnell, und nach Dokumenten fragte mich niemand.
Bald darauf brachte Pietro mir die Nachricht, dass in Kürze ein Schiff von Genua nach Trapezunt in See stechen werde, ich müsse mich beeilen, wenn ich es erreichen wolle.
»Ich habe es mir überlegt«, erwiderte ich, »die Kaiserlichen nehmen mich als Wundarzt mit.«
»Ja,
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