Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
Türken waren Krieger und keine Gelehrten und radebrechten die Sprache des Korans nur mühsam. So nahmen sie mich gleich mit sich, und eine halbe Stunde später stand ich zum ersten Mal vor dem Kaiser.
In sein Gesicht trat dieser Ausdruck von Huld und Freundlichkeit, den er in Jahrzehnten des Herrschens seinen Zügen: aufgeprägt hatte und mit dem er die Menschen bezauberte. Doch mir kam sein Lächeln wie eingefroren vor, mag sein, weil er schon leidend war und es sich abzwang.
Und doch war sein Antlitz immer noch schön. Wie strahlend musste es erst gewesen sein, als mein Vater mit ihm, dem Achtundzwanzigjährigen, gegen die Türken zog! Ob der Kaiser sich seines Leibgardisten von damals wohl noch erinnerte? Ob er gar wusste, dass mein Vater es gewesen war, der ihm in Nikopolis das Leben gerettet hatte? Einen Augenblick verspürte ich Lust, ihn danach zu fragen und dann vor ihm niederzufallen und ihn anzuflehn: »Dank es ihm! Nimm von mir, seinem Sohn, den Makel meiner Geburt! Sprich mich ehrlich! Du kannst das so gut wie der Papst!« Doch im nächsten Augenblick war mir, als hielte mir Marios Hand den Mund zu und seine raue Stimme flüsterte mir ins Ohr: »Schweig! Weißt du denn, ob er dir glaubt? Womöglich argwöhnt er, du wollest dir seine Gunst erlügen? Und dann wärest du verloren. Während jetzt hier niemand deinen Namen kennt noch deinen Stand, der vielleicht für immer verborgen bleibt, wenn du schweigst.«
Und so antwortete ich, als mich der Kaiser fragte, wer ich sei: Georgius Covarus, ein ehemaliger Scholar und nun Wundarzt bei den ungarischen Reitern Eurer Majestät.
»Und woher dein Türkisch?«
»Ich bin als Kind in die Hände der Moslems geraten, bin ihnen aber mit Gottes und der Heiligen Jungfrau Hilfe entflohen.«
Schon hatte ich Angst, er möchte mich weiter examinieren und mich nach Herkunft und Abstammung fragen, sodass ich zu Lügen meine Zuflucht hätte nehmen müssen (denn noch hatte ich ja kein unwahres Wort gesagt), doch er antwortete bloß: »Ja, die Türken haben viel Unglück über mein armes Volk gebracht! Doch deine Gefangenschaft bei ihnen dient uns nun zum Nutzen. Und da du, wie du sagst, Scholar gewesen bist, kannst du ihre Worte nun wohl auch ins Lateinische übersetzen, damit alle Anwesenden sie verstehen.«
Als die Gesandten ihre Botschaft und ihre Geschenke überreicht hatten und mit höflich-nichtssagenden Worten entlassen worden waren, winkte der Kaiser einen Edelmann, der in einiger Entfernung von ihm stand, zu sich heran und sagte:
»Sieh, Hunyadi, hier steht ein Mann, den du brauchen kannst. Nimm ihn in deinen Dienst. Er wird dir bei Verhören türkischer Gefangener nützlich sein können, denn lange wird ja die Freundschaft zwischen uns und diesen Söhnen Osmans schwerlich Bestand haben. Und vielleicht kannst du ihn auch anderweitig gebrauchen, sprachenkundig und bewandert, wie er ist.«
So kam ich zu Hunyadi Jänos.
Vorerst freilich hatte ich nicht viel zu tun, denn solange wir in Basel blieben, lagen wir auf der faulen Haut. Doch ich brauchte mich nicht zu langweilen, denn kaum hatte es sich herumgesprochen, was für ein morgenländischer Wundervogel sich in die ehrsame Stadt verflogen hatte, da erhielt ich allerhand Besuch.
Erst kam Johannes von Segovia. Er arbeitete daran, den Koran ins Lateinische zu übersetzen, und fragte mich, ob ich auch Arabisch verstehe. Ich antwortete sogleich in dieser Sprache, was ihn sehr erfreute. Er selbst sprach sie, wenn auch nicht korrekt, so doch ziemlich fließend, aber ihre letzten Feinheiten waren ihm nicht geläufig, und wenn ich mir auch nicht einbilde, sie völlig zu beherrschen, so glaube ich doch, dass ich zur Aufhellung mancher Schwierigkeiten beitragen konnte.
Und dann erschien eines Tages Nicolaus Cusanus.
Das war nun erst recht mein Mann! Zwar hatte er nicht vor, den Koran zu übersetzen, doch wollte er auf Grund der Arbeiten des Segoviers genaue Untersuchungen über ihn anstellen.
»Ich glaube nicht«, sagte er, »dass Muhammad ein Betrüger war. Auch er suchte Gott – und da es nur den einen und einzigen gibt, den Schöpfer des Himmels und der Erde, den er nicht leugnet …«
»Nein«, unterbrach ich ihn, »den er immer wieder bezeugt. In der Sure ›Die Scharen‹ heißt es: ›Erschaffen hat er die Himmel und die Erde in Wahrheit. Er faltet die Nacht über den Tag und den Tag über die Nacht, und er hat dienstbar gemacht die Sonne und den Mond. Jedes eilt zu seinem bestimmten Ziel. Ist er nicht der
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