Schatten ueber Broughton House
auch ganz ohne Essen auskommen.
Je länger sie darüber nachdachte, desto besser schien Megan ihre Idee. Das wäre der perfekte Zeitpunkt, und sie wollte diesen Plan gleich morgen Abend in die Tat umsetzen! Kein langes Warten darauf, wann Theo denn nun endlich ausginge. Sie würde es schnell hinter sich bringen, kurz und schmerzlos. Sie müsste nicht länger bei den Morelands bleiben, die sie mit jedem Tag mehr in ihr Herz schloss - und würde sich nicht länger mit ihren höchst eigensinnigen Gefühlen für Theo auseinandersetzen müssen.
Es würde vorbei sein.
Und wenngleich die Vorstellung daran ihr kalt und schwer ums Herz werden ließ, so war sie sich doch gewiss, genau so handeln zu müssen.
Am nächsten Tag brachte Megan den Unterricht der Zwillinge mehr schlecht als recht hinter sich, denn ihr Vorhaben beanspruchte all ihre Gedanken. Ihr häufiges Stirnrunzeln und ihre Geistesabwesenheit veranlassten Alex, sie zu fragen, ob sie sich nicht wohl fühle.
Megan ergriff sogleich die sich bietende Gelegenheit und räumte ein, unter Kopfschmerzen zu leiden und sich nach dem Ende der Stunde mit einer Lavendelkompresse auf der Stirn hinlegen zu wollen.
Als Alex und Con zu ihrem Naturkundeunterricht bei Thisbe aufbrachen, ging Megan auf ihr Zimmer, zog die Vorhänge zu und legte sich mit einem mit Lavendelwasser benetzten warmen Tuch auf der Stirn hin. Später, als eines der Hausmädchen hereinkam, um zu fragen, ob sie Hilfe beim Umkleiden für das Abendessen brauche, hob Megan schwach den Kopf vom Kissen und bedachte das Mädchen mit einem leidenden Lächeln.
„Ich fürchte, ich werde nicht zum Abendessen hinuntergehen können, Millie“, teilte sie ihr mit und hoffte, dass allein ihre Anspannung sie ausreichend krank aussehen ließe.
„Oh, das tut mir leid, Miss“, erwiderte das Mädchen mitfühlend. „Haben Sie Kopfweh? Die Köchin hat da eine gute Tinktur. Wenn Sie davon vor dem Schlafengehen nehmen, sind Sie morgen wieder taufrisch.“
„Das wäre sehr nett“, meinte Megan und setzte sich mühsam auf. „Würden Sie der Duchess bitte Bescheid geben, dass ich nicht kommen werde?“
„Natürlich, Miss. Soll ich Ihnen ein Tablett mit ein paar Kleinigkeiten bringen?“
„Oh, wie aufmerksam von Ihnen“, sagte Megan. „Ich bezweifle zwar, dass ich etwas essen kann, aber vielleicht für später ... “ Bald darauf brachte Millie ihr ein Tablett mit Aufschnitt, Brot und Obst und stellte es auf der Kommode ab. Sie ließ Megan auch eine kleine braune Flasche da, samt Anweisungen, wie die Tinktur mit Wasser gemischt zu verabreichen sei.
Megan versicherte ihr, davon zu nehmen, und nachdem das Mädchen gegangen war, goss sie ein wenig von dem widerlich riechenden Gebräu in ein Glas und schüttete es aus dem Fenster. Dann nahm sie sich etwas von dem Essen, während sie weiter den Schritten draußen lauschte.
Schließlich war es ganz still auf dem Gang. Megan ging zur Tür, lauschte und sah vorsichtig hinaus. Der Flur lag leer und verlassen da. Auf Zehenspitzen schlich sie sich aus ihrem Zimmer. Als sie um die Ecke bog, fand sie die Tür zu Theos Gemächern offen stehen und wagte einen Blick hinein.
Niemand war dort, und so huschte Megan, nachdem sie sich noch einmal rasch umgesehen hatte, hinein und schloss die Tür leise hinter sich. Sollte doch noch jemand von den Bediensteten - oder gar der Familie! - über den Korridor kommen, mussten sie ja nicht gleich sehen, wie Megan in Theos Zimmer herumschlich.
Es war ein schöner großer Raum, von dem eine breite Fensterfront hinaus auf den Garten ging. Die dunkelgrünen Samtvorhänge waren zurückgebunden, sodass noch die letzten schwachen Schimmer des Tageslichtes hereindrangen.
Das Zimmer wurde von einem großen Bett beherrscht. Vier Säulen aus dunklem Walnussholz stützten einen hoch gespannten Baldachin aus demselben dunkelgrünen Samt wie die Vorhänge an den Fenstern, und über der breiten, dick gepolsterten Matratze lag ein schwerer Bettüberwurf aus grün und golden gemustertem Brokat. Auch die anderen Möbel waren aus Walnuss, sehr massiv, aber mit klaren, eleganten Linien. Neben einer Stehlampe stand ein Ledersessel samt Fußkissen, daneben ein kleiner Beistelltisch, auf dem sich Bücher stapelten. Der Raum wirkte sehr behaglich mit seinen vollgestopften Bücherregalen und all dem Krimskrams, der auf einen männlichen Bewohner schließen ließ - ein alter Kricketschläger, eine Angelrute, die in einer Ecke an der Wand lehnte, eine Schale, in der
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