Schatten ueber Broughton House
betrachtete Megan. „Eine warme Farbe ... Goldgelb oder ... nein, vielleicht doch eher Rotbraun. Liwy, erinnerst du dich noch an das Satinkleid, das du letzten Sommer getragen hast?“
Megan sah von einer Schwester zur anderen, und ihr wurde ganz warm ums Hera. „Ich ... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Sie sind so nett zu mir.“
„Sagen Sie doch einfach, dass Sie mitkommen werden“, schlug Olivia vor.
Megan lächelte und konnte nicht länger widerstehen. „Einverstanden. Ich begleite Sie.“
Den Abend verbrachte Megan damit, ruhelos in ihrem Zimmer auf und ab zu gehen und sich über ihr Tun Gedanken zu machen. Sie bekam immer stärkere Schuldgefühle. Dass ihr Vorhaben den Morelands so großes Leid zufügen würde, war ihr unerträglich, denn sie waren alle furchtbar nett und großzügig zu ihr gewesen. Wenn sie nun Theos Untat entlarvte, würden alle sie für eine Verräterin halten.
Andererseits hatte sie das Gefühl, ihre eigene Familie zu verraten, sobald sie sich derlei Sorgen um die Morelands machte - und was war nur in sie gefahren, nun auch noch gemeinsam etwas mit ihnen zu unternehmen, ja, sich gar darauf zu freuen? Sie sollte lieber nach Beweisen für Dennis’ gewaltsamen Tod suchen, statt köstliche Mahlzeiten im Kreise der Familie seines Mörders zu genießen oder sich auf einem Ball zu vergnügen - in einem Kleid, das wahrscheinlich mehr kostete, als sie in einem ganzen Jahr als Reporterin verdiente.
Aber, so verteidigte sie sich, sie ging ja nicht ohne Grund auf diesen Ball. Sie würde versuchen, sich dort mit Julian Coffey unter vier Augen zu unterhalten - etwas, das sich ansonsten nur schwer mit ihrer Stelle als Lehrerin in Broughton House vereinbaren ließ.
Seufzend ließ sie sich in den Sessel neben ihrem Bett sinken. Vielleicht konnte sie die ganze Angelegenheit sogar noch schneller zu Ende bringen. Wenn es ihr gelang, den Anhänger zu finden, den Barchester nach Dennis’ Tod bei Theo gesehen hatte, würde sie gar nicht mehr mit Coffey sprechen und auch nicht länger als Lehrerin bei den Morelands bleiben müssen. Und sie wusste, wo dieser Anhänger mit größter Wahrscheinlichkeit zu finden war - in Theos Schlafzimmer.
Nur ihre Angst hielt sie noch davor zurück, dort zu suchen -und nicht allein die Angst, ertappt zu werden. Die verspürte Megan natürlich auch, denn sie hatte keinerlei Grund, sich in Theos Zimmer aufzuhalten, und sollte jemand sie dort überraschen, zöge dies wohl ihre prompte Entlassung nach sich.
Viel mehr fürchtete sie, den Anhänger tatsächlich zu finden, denn das hieße, dass Theo ihren Bruder wahrscheinlich auch umgebracht hatte. Und sie war sich bewusst, dass sie, trotz ihrer festen Überzeugung, Theo sei für Dennis’ Tod verantwortlich, tief in ihrem Herzen hoffte, dass dem nicht so sein möge. Selbst heute, als sie gesehen hatte, mit welcher Miene er manche der Exponate betrachtet hatte, war sie versucht gewesen, für seinen verdrießlichen Blick eine andere Erklärung zu finden als die offensichtliche. Sie hatte gehofft, es möge einen anderen Grund geben für die knappe, schon unfreundliche Art, in der er mit Julian Coffey gesprochen hatte, oder dafür, dass er ihren Fragen nach Südamerika und jener Expedition an den Amazonas stets auswich. Vielleicht - so versuchte sie sich wider besseres Wissen einzureden - empfand er ja einfach nur Trauer, wenn er sich an den Tod ihres Bruders erinnerte.
Dennoch würde sie den Anhänger finden müssen. Sie musste die Wahrheit herausfinden, und dazu musste sie sich in Theos Zimmer schleichen und es gründlich durchsuchen. Und je eher sie das tat, desto besser. Denn sie brachte das alles hier am besten hinter sich, bevor ihre Gefühle noch mehr in Aufruhr gerieten.
Nur wann? Megan stand auf und begann wieder umherzugehen.
Sie könnte es spät nachts versuchen, wenn alle Bediensteten und die Familie zu Bett gegangen waren, doch dann musste sie warten, bis Theo wieder einmal zu so später Stunde ausging. Und selbst dann konnte es ihr passieren, dass er sie bei seiner Rückkehr überraschte.
Es gab eigentlich nur eine Gelegenheit, bei der alle Dienstboten unten in der Küche und den angrenzenden Räumen waren und die Familie sich ebenfalls nicht in ihren Gemächern aufhielt - das Abendessen.
Natürlich wurde auch sie zu dieser Zeit unten bei Tisch erwartet, aber dies ließe sich umgehen, wenn sie einmal mehr vorgab, krank zu sein. Sie würde sich eine Kleinigkeit aus der Küche holen oder notfalls
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