Schatten über dem Paradies (German Edition)
zwanzig Jahre alt war. Der schiefe Winkel des Bildes ließ sie vermuten, dass Joyce als Kind die Aufnahme gemacht hatte.
„Die Rosen“, murmelte Louella und strich mit einem Finger da über das Bild, wo sie im Überfluss wuchsen. „Sie sind dahin, weil sich niemand um sie gekümmert hat.“
„Haben Sie jetzt einen Garten?“
„Joyce hat einen.“ Louella legte das Bild beiseite und griff nach einem anderen. „Ich kümmere mich gelegentlich darum, aber das ist nicht das Gleiche wie ein eigener.“
„Nein, aber Joyce ist bestimmt dankbar für Ihre Hilfe.“
„Sie hat sich hier in der Stadt nie wohl gefühlt“, sagte Louella halb zu sich selbst. „Nie. Ein Jammer, dass sie mehr nach mir geraten ist als nach ihrem Vater.“
„Sie ist reizend“, versicherte Maggie und suchte nach etwas, das sie noch sagen könnte. „Hoffentlich sehe ich sie öfter. Ihr Mann hat davon gesprochen, dass wir zusammen zu Abend essen.“
„Stan ist ein guter Mann. Solide. Er hat sie immer geliebt.“ Dieses traurige, flüchtige Lächeln huschte über ihre Lippen. „Er war sehr freundlich zu mir.“
Als sie zu dem nächsten Foto kam, verkrampfte sie sich. Ihr Lächeln gefror. Maggie blickte auf das Bild und sah William Morgan und Stan Agee als Teenager. Dieses jüngere Foto war in Farbe, und die Bäume im Hintergrund leuchteten herbstlich. Die beiden Männer trugen Flanellhemden und Baseball-Kappen, und beide hatten braune Westen mit kleinen Gewichten am Saum an. Jeder hatte ein Gewehr in der Hand.
Patronen, nicht Gewichte, erkannte Maggie, als sie sich die Westen noch einmal ansah. Die beiden waren wohl auf der Jagd gewesen. Und sie standen nahe dem Abhang, der zu dem Graben führte.
„Das muss Joyce aufgenommen haben“, murmelte Louella. „Sie ging mit ihrem Vater jagen. Er brachte ihr bei, wie man mit Gewehren umgeht, bevor sie zwölf war. Es spielte keine Rolle, dass sie Gewehre hasste. Sie lernte, ihrem Vater Freude zu machen. William sieht erfreut aus“, fuhr Louella fort, obwohl Maggie nichts dergleichen sehen konnte. „Er jagte gern auf diesem Land. Jetzt wissen wir, dass er hier starb. Hier“, wiederholte sie und legte ihre Hand auf das Bild. „Und nicht drei Meilen entfernt im Fluss. Er hat sein Land nie verlassen. Ich glaube, irgendwie habe ich es immer gewusst.“
„Mrs. Morgan.“ Maggie legte ihr die Hand auf den Arm. „Ich weiß, es muss schwierig für Sie sein. Es muss so sein, als würden Sie alles noch einmal durchmachen. Ich wünschte, ich könnte etwas für Sie tun.“
Louella wandte den Kopf und musterte Maggie mit starrem Blick, ohne zu lächeln. „Legen Sie Ihren Teich an“, sagte sie tonlos. „Pflanzen Sie Ihre Blumen. So sollte es sein. Der Rest ist vorbei.“
Als sie aufstand, fühlte Maggie sich von der emotionslosen Antwort beunruhigter, als sie es über einen Weinkrampf gewesen wäre. „Ihre Fotos“, sagte sie hilflos.
„Behalten Sie sie.“ Louella war schon an der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte. „Ich brauche sie nicht mehr.“
Maggie fragte sich, ob sie deprimiert sein sollte, während sie den Wagen wegfahren hörte. War ihre Reaktion normales Mitgefühl für die Tragödie anderer Menschen, oder ließ sie zu, dass sie wieder persönlich in die Sache verwickelt wurde? In den letzten Tagen hatte sie sich beinahe selbst überzeugt, dass sie nichts mit der Sache der Morgans zu tun habe. Jetzt begann es nach einer kurzen Begegnung erneut.
Doch es war mehr als das Gefühl, verwickelt zu sein, räumte Maggie ein, während sie ihre Arme rieb, um sich zu wärmen. Es war irgendwie unheimlich gewesen, wie Louella die Fotos betrachtet hatte. Als hätte sie die Menschen darauf zur Ruhe gebettet, obwohl nur einer tot war.
Einbildung, tadelte sie sich. Dazu gänzlich übertrieben. Aber war es denn nicht merkwürdig gewesen, wie Louella dieses letzte Bild angesehen hatte? Als hätte sie Details gesucht. Irgendetwas. Stirnrunzelnd nahm Maggie die Fotos auf und sah sie durch, bis sie zu dem Farbbild kam.
Da war wieder William Morgan, sein Haar etwas dünner, seine Augen etwas ernster als auf dem Osterfoto. Sheriff Agee stand neben ihm, kaum mehr als ein Junge, die Gestalt noch nicht ganz ausgewachsen, das Haar ein wenig lang. In seiner Jugend hatte er noch mehr ausgesehen, als wäre er an einem Strand zu Hause, obwohl er das Gewehr hielt, als wäre er mit Feuerwaffen vertraut. Während Maggie ihn betrachtete, konnte sie gut verstehen, warum Joyce sich so sehr in ihn verliebt
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