Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Miß Naomi? «
»Nein, kein Problem. Moses. Nur so ein kleiner Schleimer. Wie geht’s unserem Jungen? «
Mit schwingendem Hinterteil war sie davongerauscht, um ihren preisgekrönten Hengst zu hätscheln. Und Rich blieb nichts anderes übrig, als in seine schäbige Bude zurückzukehren und an ihrer Stelle seine blasse, hausbakkene Frau zu verdreschen.
Sie dachte, er sei nicht gut genug für sie. An diesem Tag hatte sie ihn gedemütigt, doch er hatte es ihr heimgezahlt, indem er das Rennen manipulierte. Natürlich war der unglückliche Ausgang nicht beabsichtigt gewesen, niemand konnte vorhersehen, daß Benny Morales die Kontrolle über sein mit Drogen vollgepumptes Pferd verlieren und ihres zu Boden stoßen würde.
Und dennoch, grübelte Rich, dennoch war alles glattgegangen. Alles hatte sich zum Besten gewendet, weil er die Sache dermaßen schlau eingefädelt hatte, daß die Umstände gegen sie sprachen. Gut, er hatte es ihr heimgezahlt. Aber er war noch nicht mit ihr fertig.
Diese zehn Jahre im Gefängnis waren erst die Anzahlung gewesen, die Restschuld würde sie am kommenden Samstag begleichen müssen.
Am Tag des Derbys blieb Kelsey dem Frühstücksempfang im Landsitz des Gouverneurs fern. Einerseits hätte sie keinen Bissen hinuntergebracht, andererseits wollte sie sich auf keinen Fall, wenn auch nur für kurze Zeit, von der Rennbahn entfernen.
Das Startsignal für das erste Rennen würde um halb zwölf ertönen. Wie die Pfleger, Jockeys und Trainer war auch Kelsey bereits um sechs auf dem Rennplatz. Unmöglich hätte sie mittags ins Hotel zurückkehren und sich ein Stündchen hinlegen können. Statt dessen bleib sie bei Boggs und ein paar Helfern und nagte an einem Brathähnchen.
»Immer noch da?« Moses ließ sich neben ihr auf dem Boden nieder und wühlte in der Hähnchentüte nach einer Keule.
»Wo denn sonst?« Sie aß eher aus Nervosität als aus Hunger und trank ein Ginger Ale dazu.
»Du könntest zum Beispiel in eurer Loge sitzen. Der Rummel geht schon los. Die Tribünen füllen sich langsam.«
»Bin viel zu nervös. Außerdem würde mir doch nur irgendein Reporter ein Mikrofon unter die Nase halten.«
»Hier wirst du ihnen auch nicht entgehen können Der Name deiner Mama hat zuviel Zugkraft. Verkriech dich doch im Matt-Winner-Saal.«
»Nööh.« Kelsey leckte sich die Finger an. »Der ist für Geschäftsleute reserviert. Genausogut könnte ich in einer Konferenz sitzen. Von da aus will ich mir das Rennen nun wirklich nicht anschauen. Wie geht’s Naomi?«
»Sie ist sehr aufgeregt. Man sieht es ihr zwar nicht an, aber sie steht regelrecht unter Strom. Liegt zum Teil daran, daß du hier bist. Sie will unbedingt mit dir zusammen die Trophäe in Empfang nehmen.«
»Wir können es doch schaffen, oder?«
»Ich will die Götter nicht versuchen, indem ich ja sage.« Moses blinzelte gen Himmel. »Guter Tag heute, trocken und klar. Die Bahn ist sehr schnell.«
»Ich hab’ schon zugesehen, wie sie aufbereitet wurde. Eigentlich wollte ich mir einige von den frühen Rennen ansehen, aber das hätte mich nur noch kribbeliger gemacht.« Ihr Magen krampfte sich immer noch nervös zusammen, und sie nahm sich ein weiteres Stück Hähnchen. »Hast du Gabe gesehen?«
»Er teilt sich eine Box mit Naomi. Wird wohl gleich wiederkommen, um Jamie zu schikanieren, und dann zum Sattelplatz zu gehen, wenn’s soweit ist.«
»Gestern ging es so hektisch zu, daß ich ihn kaum zu Gesicht bekommen habe. Ich weiß gar nicht, wie ich das Thema zur Sprache bringen soll, weil ich weiß, wie er reagiert. Aber Boggs glaubt, Gabes Vater gesehen zu haben.«
»Wann?« fragte Moses so schnell, daß Kelsey ihn verwirrt ansah.
»Nun, äh, am Donnerstag, am späten Morgen. Er war sich aber nicht sicher. Moses?« Kelsey rappelte sich hoch, da er bereits aufgesprungen war und auf den Stall zusteuerte.
»Der Mann bringt nichts als Ärger«, schnaubte Moses. »Schlechte Medizin.«
»Schlechte Medizin?« Kelsey wollte spöttisch lächeln, doch es gelang ihr nicht. »Geh schon, Moses!«
»Manche Menschen ziehen das Unheil regelrecht an und verbreiten es weiter. Rich Slater ist einer davon.« Moses verschwand in Prides Box, vergewisserte sich, daß alles in Ordnung war, und zwang sich zur Ruhe, damit sich seine Anspannung nicht auf das Pferd übertrug. Pride sollte kampfbereit ins Rennen gehen und nicht hochgradig erregt. »Wenn er sich hier rumtreibt, will ich ihn nicht hier in der Nähe sehen.«
»Die Wachtposten lassen
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