Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
tut mir ja so leid. Was ist mit Reno?«
Kelsey schöpfte tief Atem. »Man hat ihn ins Krankenhaus gebracht. Der Sanitäter sagte, es sei nichts Ernstes, aber wir warten noch auf die Diagnose der Ärzte.« Sie richtete sich auf und wischte sich die Tränen ab. »Ich habe jetzt noch einiges zu erledigen.«
»Aber nicht allein.«
Kopfschüttelnd wehrte sie ab. Wenn sie jetzt ihrer Schwäche nachgab, dann würde sie zusammenbrechen. »Ich muß es tun – für meine Mutter und für Pride. Ich seh’ dich später im Hotel.«
»Ich lasse dich jetzt nicht alleine.«
»Boggs und der Rest des Teams sind noch hier.«
Die hitzige Erregung in seinen Augen flaute ab. Wie um den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern, trat er einen Schritt zurück und nickte knapp. »Wie du meinst. Solltest du noch etwas brauchen, dann wende dich an Jamie.«
»Danke.«
Sie kam sich vor, als sei sie in einem Alptraum gefangen. Als Kelsey gegen Mitternacht todmüde ins Hotel zurückkehrte, lagen ihre Nerven bloß. Man hatte ihr gesagt, daß die Beamten bereits mit ihrer Mutter und Moses gesprochen hatten. Man hatte ihr aber auch mitgeteilt, daß es sich um einen Anschlag handelte.
Irgend jemand hatte Pride eine tödliche Dosis Amphetamine injiziert; ein Medikament, daß sein Herz so stark in Mitleidenschaft gezogen hatte, das es bei der Belastung durch den mörderischen Galopp einfach aussetzte. Am sechzehnten Pfosten.
Und nun würde jeder, der auf Three Willows arbeitete oder sonstwie mit der Farm zu tun hatte, einer Flut von Fragen, Vermutungen und Verdächtigungen ausgesetzt sein. Hatten sie ihr Pferd etwa selbst gedopt, dabei die Dosis falsch berechnet und darauf spekuliert, daß keine Spuren der Droge in Prides Speichel gefunden werden würde?
Oder hatte ein Außenstehender, vielleicht jemand von der Konkurrenz, das Pferd und somit das Rennen manipuliert? Jemand, der um jeden Preis gewinnen wollte und dabei den Tod von Pferd und Jockey billigend in Kauf nahmen?
Vor der Tür zur Suite ihrer Mutter zögerte Kelsey. Was konnte sie dort schon ausrichten? Naomi hatte Moses, der sie tröstete und ihr über den schlimmsten Schmerz hinweghalf.
Auch ihr eigener leerer Raum schreckte sie ab. Trotz ihrer Erschöpfung war sie noch voller Anspannung, die ihr den Schlaf unmöglich machte. Zu viele wirre Gedanken schossen ihr durch den Kopf, bohrende Zweifel quälten sie. So drehte sie sich entschlossen um und ging über den Flur zu Gabes Zimmer.
Er schlief noch nicht, aber mit ihrem Besuch hatte er nicht gerechnet, zumal sie ihn vorher weggeschickt hatte. Und schon gar nicht, nachdem man ihm die Informationen über Pride zugespielt hatte. Und nun stand sie vor ihm, tiefe Ringe unter den Augen, das Gesicht von so durchscheinender Blässe, daß er meinte, durch sie hindurchsehen zu können. Er bat sie einzutreten.
»Hast du’s schon gehört?«
»Ja. Setz dich, Kelsey, ehe du mir umkippst.«
»Lieber nicht. Wenn ich mich hinsetze, kann ich vielleicht nicht wieder aufstehen. Jemand hat ihn getötet, Gabe, darauf läuft es hinaus, jemand wollte Pride unbedingt aus dem Rennen haben.«
Gabe ging quer durchs Zimmer zur Bar und nahm sich eine Flasche Mineralwasser. »Und mein Pferd hat gewonnen.«
»Ich weiß. Entschuldige bitte, daß ich dir noch nicht einmal gratuliert habe, aber . . .« Mitten im Satz brach sie ab, als sie seine Augen sah. »Glaubst du, daß ich gekommen bin, um dich zu beschuldigen? Oder auch nur, um dich zu fragen, ob du etwas damit zu tun hast?«
Trotz der Wut, die in ihm kochte, blieben seine Hände ganz ruhig, als er das sprudelnde Wasser in ein Glas mit Eiswürfeln goß. »Ein logischer Schritt.«
»Zur Hölle mit deiner Logik! Und zur Hölle mit dir! Wofür hältst du mich eigentlich?«
»Wofür ich dich halte?« Gabes Lachen klang bitter. »Wofür ich dich und was ich von dir halte, das ist ja wohl ziemlich bedeutungslos. Tatsache ist, euer Pferd ist tot und meines hat mir innerhalb von zwei Minuten fast eine Million Dollar eingebracht. Ein plausibles Motiv für einen Mord, und du wärst nicht die einzige, die so denkt.«
»Ah ja.« Kelsey stieß das Glas, das er ihr hinhielt, so heftig zurück, daß Wasser auf den Teppich schwappte. »Es geht also um Logik und bloße Tatsachen. Aber eines hast du dabei vergessen, Slater, Charakter.«
»Habe ich das?« Er stellte ihr Glas ab und nippte an seinem. »Nun, ich habe ja wohl einen schlechten.«
»Eines will ich dir mal sagen, Gabriel Slater, du spielst zwar nach
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