Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Erklärungen und Zusammenhängen suchen. Wie Rossi.«
»Rossi?«
»Mmm.« Kelsey füllte ihr Glas noch einmal, ehe sie zerstreut begann, ihre Bluse aufzuknöpfen. Der Alkohol hatte sie ziemlich erhitzt. »Er war gestern beim Rennen. Ich hab’ mit ihm gesprochen, oder besser, er mit mir. Überall stolpert man über ihn, wie er Beobachtungen anstellt und seine Theorien entwickelt. Warum sollte jemand Naomi schaden wollen oder in irgendeiner Weise Staub aufwirbeln?«
Wie gebannt starrte Gabe sie an. Ihre halb geöffnete Bluse gab den Blick auf den Ansatz ihrer Brüste frei, so daß es ihm schwerfiel, sich auf ihre Worte zu konzentrieren. »Nimmt er das an?«
»Wer weiß?« Achtlos zuckte sie die Achseln. »Ich glaube, er sagt nie, was er wirklich denkt. Wenn du verstehst, was ich meine«, fügte sie nach einem Moment hinzu. »Er behauptet einfach irgend was, nur um dich aus der Reserve zu locken. Aber wenigstens hält er Naomi nicht mehr für eine Pferdemörderin.« Sie lächelte gewinnend. »Er hat immer noch dich auf dem Kieker, Slater.«
»Daran habe ich nie gezweifelt.«
»Aber nur halbherzig. Er hält dich nämlich nicht für einen Dummkopf.«
»Eine Bemerkung aus seinem Mund werte ich als Kompliment.
« Gabe wollte aber nicht länger über dieses Thema reden und sagte zu Kelsey: »Du hast noch ein paar Knöpfe vergessen, mein Liebling.«
»Bin ja schon dabei. Ich hab’ noch nie für einen Mann einen Striptease gemacht.«
»Dann laß mich dein erster Bewunderer sein.«
Mit einem glucksenden Lachen und halb geschlossenen Augen zog Kelsey am Reißverschluß ihrer Jeans. »Seine Anwesenheit war mir unangenehm. Rossis, meine ich. Ich mußte sofort wieder an das Derby denken; an alles, was geschehen ist. An die Pferde, die beim morgendlichen Training aus dem Nebel auftauchten, an die Gerüche und Geräusche, an Boggs, der Prides Bandagen aufhängte und mir von seiner letzten Wette erzählte. Und daß er glaubte, er hätte deinen Vater gesehen.«
»Was?« Gabe erstarrte plötzlich. »Was hast du da eben von meinem Vater gesagt?«
»Ach, Boggs meinte nur, ihn in Churchill Downs gesehen zu haben, sagte, er bringe Unglück. Aber ich glaube nicht, daß er dort war, sonst hätte er sich doch mit dir in Verbindung gesetzt.«
»Kelsey.« Gabe stand auf, nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es beiseite. »Was genau hat Boggs gesagt?«
»Nicht viel.« Kelsey atmete seufzend aus. In ihrem Kopf drehte sich alles, ein herrliches Gefühl, doch Gabes Augen brannten sich förmlich in ihre ein. »Nur, daß er dachte, ihn gesehen zu haben.«
Gabe hielt sie an beiden Armen fest: »Wann?«
»Irgendwann am Morgen. Aber er war sich nicht sicher. Er sagte, es wäre ja nur ein flüchtiger Eindruck gewesen, und seine Augen seien nicht mehr die besten.« Kelsey schüttelte den Kopf, um einen klaren Gedanken fassen zu können, aber das half nichts. »Was ist denn daran so wichtig?«
»Gar nichts«, murmelte Gabe, und lockerte seinen Griff. »Ich hab’ ja nur gefragt.«
»Die Vergangenheit läßt einen nicht los.« Sie löste eine
Hand aus seinem Griff. »Das sollten wir nicht zulassen, denn wir leben heute und jetzt.«
»Ja, das tun wir.« Die Angelegenheit konnte warten, sagte Gabe sich. Wahrscheinlich war an der Sache nichts dran, aber was auch dahinterstecken mochte, er würde sich erst nach seiner Rückkehr damit befassen. »Schau mich mal an.« Er faßte sie am Kinn und musterte ihr erhitztes Gesicht und die glänzenden Augen. »Liebling, du wirst morgen früh mit einem Mordskater aufwachen.«
»Na wenn schon.« Sie schlang die Arme um seinen Hals, und legte ihm mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung die Beine um die Taille. »Dann sollten wir dafür sorgen, daß es sich lohnt.
»Das ist das mindeste, was ich tun kann. Ab unter die Dusche.« Er senkte den Kopf, um ihre bloße Schulter zu küssen. »Ich werde dir zeigen, was ich vorhabe.«
19
Kelsey spielte mit dem Gedanken, Gabe einzuweihen. Es konnte doch noch kein Zeichen von Abhängigkeit sein, wenn man einem Mann, zu dem man eine so intime Beziehung hatte, von seinen Absichten erzählte. Es war auch bestimmt kein Zeichen von Schwäche, wenn man ihn bat, mitzukommen und moralische Unterstützung bei der Vergangenheitsbewältigung zu leisten.
Aber dann hatte sie ihm doch nichts gesagt, denn sie wäre sich abhängig und schwach vorgekommen. Und schließlich war es ja ihr Problem.
Er hatte sowieso keine ruhige Minute mehr, denn es gab nicht jedes Jahr
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