Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Beine eines Vollbluts. »Ich habe keinen Tempowechsel bemerkt.«
»Ich auch nicht«, bestätigte Naomi. »Reno sagt, sie ist nicht gestolpert. Ich habe das Rennen heute morgen gesehen, und mir wäre so etwas aufgefallen. Diese Stute hat ein ausgeglichenes Temperament, die gehört nicht zu den Pferden, die im Stall ausschlagen.«
»Jedenfalls hat sie einen ziemlich heftigen Schlag oder Stoß abgekriegt«, meinte Matt. »Und wenn dein Pfleger nicht so aufmerksam gewesen wäre, dann hätte es viel schlimmer enden können. So, das hier wird die Schmerzen lindern. Na komm, mein Mädchen, ganz ruhig.« Er drückte Serenity direkt über der Wunde die Nadel ins Fleisch. Die Stute rollte die Augen und schnaubte, hielt aber still. »Sie ist gesund und kräftig«, sagte Matt. »Sie wird wieder an Rennen teilnehmen können. Moses, ich kann dir nichts zur Weiterbehandlung sagen, was du nicht schon wüßtest. Ruf mich an, wenn sie Fieber bekommt. Sonst . . .« Erbrach ab und starrte über Naomis Schulter.
»Entschuldigung.« Kelsey war gekommen, ihre Handtasche und einen Schnellhefter fest in der Hand. »Ich wollte nicht stören. Im Haus hat man mir gesagt, daß ich dich hier finden würde.«
»Oh«, zerstreut fuhr sich Naomi mit der Hand durchs Haar. »Ich habe die Zeit vollkommen vergessen. Wir haben hier ein kleines Problem. Matt, das ist meine Tochter Kelsey. Kelsey Byden, Matt Gunner, unser Tierarzt.«
Matt streckte die Hand aus, merkte, daß er noch immer die Spritze festhielt, und zog sie errötend zurück. »Tut mir leid. Hallo«
Trotz ihrer Nervosität mußte Kelsey lächeln. »Nett, Sie kennenzulernen.«
»Und das ist Moses Whitetree«, fuhr Naomi fort, »unser Trainer.«
Moses massierte weiterhin das Bein der Stute und nickte nur knapp.
»Reno Sanchez, einer der besten Jockeys im Umkreis.«
»Der beste«, meinte Reno augenzwinkernd. »Sehr erfreut.«
»Gleichfalls«, erwiderte Kelsey automatisch. »Ihr habt zu tun. Ich kann warten.«
»Nein, ich kann hier nichts mehr tun. Danke, daß du so schnell gekommen bist, Matt. Tut mir leid, daß ich dir den Feierabend verdorben habe, Reno.«
»Kein Problem. Bis zum nächsten Start hab’ ich noch viel Zeit.« Mit unverhohlener Bewunderung blickte er wieder zu Kelsey. »Sie müssen mal zur Rennbahn kommen und mir beim Reiten zusehen.«
»Das würde ich gern tun.«
»Moses, ich komme später noch mal wieder und sehe nach ihr. Laß uns ins Haus gehen, Kelsey.« Sorgsam jegliche Berührung vermeidend, wies Naomi ihr den Weg zum Hinterausgang.
»Ist das Pferd krank?«
»Verletzt, leider. Wir müssen sie von den Rennen der nächsten Wochen abmelden.«
»So ein Jammer.«
Kelsey blickte zu einer Koppel hinüber, wo ein Jährling an der Longe die Gangarten durchexerzierte. Ein anderes Tier, diesmal mit Reiter, wurde von einem Betreuer gerade zum Übungsplatz geführt. Ein Pferdepfleger wusch einen schimmernden Braunen, während andere ihre Pferde einfach nur im Kreis herumführten.
»Ganz schöner Betrieb hier«, murmelte Kelsey, die sich bewußt war, daß viele Augen auf sie gerichtet waren.
»Ja, die Hauptarbeit ist morgens, aber am Nachmittag, wenn die Rennbahn schließt, wird’s hier wieder lebhaft.«
»Habt ihr heute ein Rennen?«
»Irgendein Rennen findet immer statt«, erwiderte Naomi abwesend. »Aber im Augenblick haben wir noch einige trächtige Stuten, so daß auch noch Arbeit in der Nacht anfällt.« Sie lächelte leise. »Fohlen kommen offenbar am liebsten mitten in der Nacht.«
»Mir war gar nicht klar, daß du so ein Riesengestüt hast.«
»Innerhalb der letzten zehn Jahre sind wir zu einem der führenden Vollblutgestüte hier im Staat aufgestiegen. Eines unserer Pferde ist sogar bei den letzten drei Derbys gestartet. Hat in St. Leger und Belmont gewonnen. Seit zwei Jahren halten wir den Breeder’s Cup, und bei den letzten Olympischen Spielen holte eine unserer Stuten Gold.« Lachend brach Naomi ab. »Wenn ich erst anfange. . . Ich bin schlimmer als eine Großmutter mit einer Brieftasche voller Schnappschüsse.«
»Ist schon in Ordnung, es interessiert mich wirklich.« Mehr, dachte Kelsey, als sie geahnt hatte. »Als Kind hatte ich Reitstunden. Ich glaube, die meisten Mädchen machen diese pferdenärrische Phase durch. Dad war entschieden dagegen, aber . . .« Sie schwieg einen Augenblick, da ihr plötzlich klar wurde, warum ihr Vater über diese schon fast traditionelle Mädchenschwärmerei so unglücklich gewesen war.
»Natürlich«, lächelte
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